Ausschau nach Männern
Schon fast in Waren, lockte uns der Hinweis auf eine Badestelle am Feisnecksee, einem kleinen Seitenarm der Müritz. Wir fanden einen Schattenplatz unter Bäumen an dem ausgedorrten Hang. Ich war nur kurz im Wasser. Es war mir zu kalt. U. kraulte weit hinaus. Ich kannte es nicht anders von ihr. In der Ferne, einige hundert Meter weiter südlich, war eine kleine Insel zu sehen. Laut Karte befanden sich dort die Reste einer slawischen Befestigung. Solche Burgen halfen den hierherum wohnenden slawischen Stämmen bekanntlich nur wenig, als im 11. Jahrhundert die besser bewaffneten westdeutschen Abenteurer anrückten und sich hier niederließen, als sei es ihr Land. Über die Jahrhunderte verließ die Kolonisten nie ganz die Furcht, die Slawen würden irgendwann zurückschlagen, ob sie sich das eingestanden oder nicht. Und sie schlugen ja auch unlängst zurück, als sie das Land jenseits der Oder den Polen und das Junkerland zwischen Elbe und Oder – jedenfalls für eine Weile – den landlosen Gutsarbeitern gaben, den Nachkommen der Slawen. Deswegen hielten die Kolonisten fortwährend Ausschau nach Männern, die sie beschützen würden, nach Männern wie Friedrich II. von Preußen, Bismarck oder Hitler. Sie tun es noch heute, dachte ich unter dem Einfluß der Lektüre von James Hawes „Kürzester Geschichte Deutschlands“, während ich auf U. wartete, die noch immer im Wasser war.
Aus: Wolf Christian von Wedel Parlow, Durch altes Slawenland. Eine Radreise von Rostock nach Berlin, unveröff. Manuskript, S. 50 f.
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