Wuppertaler Orgeltage mit Frühjahrs-Orgelstrauß

In diesem Jahr nur digital

von Johannes Vesper

Die Spanische Trompete - Foto © Johannes Vesper

Wuppertaler Orgeltage
mit Frühjahrs-Orgelstrauß
 
Das war ein harter Schlag auch für die Wuppertaler Orgeltage. Zwar haben sich die Salzburger Festspiele nicht als Infektionshotspot erwiesen, zwar haben die Studien der Fraunhofergesellschaft im Konzerthaus Dortmund wie die der Universität Halle gezeigt, daß mit Maskenschutz, adäquater Belüftungstechnik, ausgeklügeltem Hygiene- und Bestuhlungsplan auch bei gefülltem Haus mit einer signifikanten Infektionsgefahr nicht gerechnet werden muß, trotzdem aber sind Konzertbesuche aktuell vorsichtshalber verboten. Leben, Kunst und Musik sind eben voller Risiken. Das letzte große Konzert in der Historischen Stadthalle Wuppertal spielte Lang Lang im März 2020. Da hoffte man, daß Bach gegen Corona helfen würde. Tut er nicht, tat er nicht. Die 2. Corona-Welle rauscht inzwischen. Also mußten sowohl der Orgel-Akzent mit der vortrefflichen Iveta Apkalna als auch weitere Präsenz-Konzerte im Februar abgesagt werden; und das im Jahr der Orgel, die schon seit 2017 zum Weltkulturerbe gehört. Nun hatte Wolfgang Kläsener, der künstlerische Leiter, vor Weihnachten zum großen Vergnügen seiner Zuhörer einen virtuell-digitalen Orgeladventskalender geboten. Diese täglichen fünf Minuten wunderbarer Orgelmusik auf der großen Stadthallenorgel bildeten kleine Höhepunkte der Adventszeit. Daran anknüpfend spielte er jetzt einen virtuellen Frühjahrszyklus ein. Unter dem Link der Wuppertaler Orgeltage sind kostenlos drei Programme anzuhören und anzusehen.
Damit wurde erstmalig die große Sauerorgel nach dem Einbau neuer elektronischer Technik zum Setzen, Koppeln der 69 Register und ihrer Kombinationen konzertant gespielt. Nur mit moderner Elektronik können die großen Orgelwerke ihren differenzierten Klang richtig entfalten.
Bei der Begehung der Orgel in Begleitung des Orgelbauers bieten sich großartige Blicke in die Technik dieses ehrwürdigen Instruments wie auch aus der Orgel heraus in den herrlichen Großen Saal der Historischen Stadthalle. Orgeln werden in Deutschland bereits seit Beginn des 15. Jahrhunderts gebaut. Tatsächlich gibt es mindestens zwei noch spielbare Instrumente aus dieser Zeit. Die Sauer-Orgel der Stadthalle ist die jüngste und größte Orgel Wuppertals. Sie ist der Großzügigkeit eines Mäzens zu danken, wie übrigens auch die jetzt erforderliche elektronische Aufrüstung.
 

Wolfgang Kläsener- Foto © Johannes Vesper

Das 1. Konzert „Toccata“ wird eröffnet mit dem Jugendwerk Johann Sebastian Bachs (1685-1750), seiner großen und herrlichen Toccata und Fuge d-Moll BWV 565. Das rhapsodisch hinabstürmende Kopfmotiv wird vielfältig frei variiert, immer wieder türmen sich mächtige Akkorde auf. In der zunächst fast kammermusikalischen Fuge werden dann alle Facetten des Motivs spielerisch ausgebreitet. Orgelpunkte, Trugschluß, einander ablösende Akkordfolgen mit vollem Werk, zuletzt ernste Kadenzen führen zum unerbittlichen Schlußakkord in Moll. Anders durch Tonarten und Tonalität wandernd, stürzend, schließt sich Max Regers (1873-1916) Toccata d-Moll Op. 59 Nr. 5 mit starken dynamischen Kontrasten an, bevor sie nach stürmischen Arpeggien trotz allem zuletzt in strahlendem Dur endet. Schließlich bietet Charles Marie Widors (1845-1937) flotte, bekannte Toccata F-Dur(Op. 42 Nr. 5) aus der 5. Orgelsinfonie ohrwurmartig über mächtigem Doppelpedal die ganze Fülle französischer Spätromantik.
 
Im 2. Konzert (Karneval der Tiere) wird zwar nicht rheinisch, aber immerhin entsprechend der Jahreszeit gefeiert. Hier „pfeifen, brüllen, flöten seufzen, grillen“ oder tanzen (Fossilienballett), u.a. Hühner, Elefant, Esel, Känguruh, natürlich der mutige Löwe, die Schildkröten und viele andere Tiere lautmalerisch musikalisch, wobei Camille Saint-Saëns (1835-1921) vor keiner musikalischen Anspielung und keinem Zitat zurückschreckte. Helga Günter und Norbert Brenken lesen dazu von rotem Sofa aus zwischen den Auftritten der Tiere den humorvollen Text von Albrecht Gralle. Ein besonderes Vergnügen für differenziertere Karnevalisten.
 
Das 3. Konzert, Passion & Ostern beginnt mit dem besinnlichen Orgelvorspiel Johann Sebastian Bachs aus seinem Orgelbüchlein: „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ (Op. 639). Von Bach gläubiger Gelassenheit ist 200 Jahre später zwischen den Weltkriegen bei Jehan Alain (1911-1940) nichts mehr zu spüren. Er wurde als Kradfahrer der französischen Armee im 2. Weltkrieg erschossen. Seine Gebete (Litanies) von 1925 spiegeln die seelische Verzweiflung. Dazu hat er selbst geschrieben: „Ein Gebet ist keine Klage, sondern ein Tornado der alles…hinwegfegt“. In den anschließenden Zaubersprüchen für einen heiligen Tag („Incantation pour un jour saint“ reflektiert der blinde Komponisten und Organist Jean Langlais akkordisch dissonant das starke Unisono-Motiv des Anfangs: fallende kleine Terz nach dreimal f´- das letzte ausgehalten. Die ernsten Worte enden versöhnlich in strahlendem D-Dur, welches bereits auf das Osterfest hinweisen mag.
Endlich beschließt der souveräne, ausdrucksstarke wie virtuose Wolfgang Kläsener mit Georg Friedrich Händels „Halleluja“ diesen leider nur virtuellen Reigen vorzüglicher Orgelmusik in technisch beachtlicher Qualität. Kein Ersatz, aber jeweils 15-20 Minuten Meditation und Trost in dieser dunklen Zeit erzwungener Orgel- und Kulturferne.
 
Abrufbar Toccata seit 06.02.21, Karneval ab 13.02.20, Passion Ostern ab 20.02.21 jeweils ab 16:00 Uhr unter unter „Online-Konzerte“ auf der Startseite der WOT: http://www.wuppertaler-orgeltage.de/.