Schafft schöne Schulen!

Wie der Osten zur Schule ging - Ein Streifzug durch den Schulalltag der DDR

von Frank Becker

Schafft schöne Schulen!
 
(Ein bißchen Ostalgie muß erlaubt sein)
 
In der DDR begann das neue Schuljahr nach den großen Ferien am 1. September. Doch nicht nur der Schulstart, sondern auch die Lehrpläne und -materialien waren per Gesetz in der gesamten Republik gleich. Denn allein das „einheitliche sozialistische Bildungssystem gewährleistet die kommunistische Erziehung der jungen Bürger“, heißt es in Meyers Universal-Lexikon von 1980. So besuchten denn auch alle Kinder und Jugendliche in der Regel die zehnklassige Polytechnische Oberschule (POS). Dieses Buch widmet sich dem Schulsystem der DDR in seinen vielen Facetten.
 
Für alle, die in der DDR aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, muß der reich illustrierte Band voller oft sehr persönlicher Erinnerungen eine bilderreiche Zeitreise sein, für interessierte ehemalige Westbürger und die Nachgeborenen, deren Eltern und ältere Geschwister ihre Schulzeit im „einheitliche sozialistische Bildungssystem“ verbracht haben ein Blick in eine hochinteressante deutsche Vergangenheit. Denn als 1990 die kleine DDR sich in das politische, soziale, wirtschaftliche und föderale Bildungs-System der größeren Bundesrepublik einfügte, verschwand faktisch alles, was die Identität der DDR einmal ausgemacht hat, eben auch das Schulsystem.
 
Die Autorinnen und Autoren des erinnerungsreichen Buches „Wie der Osten zur Schule ging“ schöpfen aus der eigenen Biographie, denn wer sonst als die ehemaligen Zöglinge bzw. Absolventen von Kinderkrippe, Volksschule, Polytechnischer Oberschule (POS), Erweiterter Oberschule (EOS), Berufsausbildung mit Abitur (BmA), Jungen Pionieren etc. wüßten wirklich hautnah zu berichten, wie es „damals“ war. So beschreibt Uli Jeschke den Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg („Hitler kaputt“) mit Neu- und Wanderlehrern, stellt Klaus Behling die berechtigte Frage „War gemeinsames Töpfchensitzen (in der Kinderkrippe, Anm.) so schlimm?“, erzählt Wolfgang Schüler vom ideologischen Kampf in Beatles-Zeiten gegen Jeans und lange Haare an Schulen und stellt Klaus Behling die seinerzeit nicht opportune Frage nach Bildung und Schulabschluß der Volksbildungsministerin Margot Honecker, die immerhin 26 Jahre lang dieses Ministeramt bekleidete. Und natürlich geht es auch um die Rolle der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“, die Einbindung der NVA in den Schulprozeß, die wichtige Rolle des Sportunterrichts (ich darf gar nicht daran denken, daß ich im Westen nur einmal pro Woche Sport auf dem Stundenplan hatte) - und um viele weitere typische und anschauliche Beispiele aus dem Schulalltag der DDR. Henner Kotte widmet der Rolle der Schule in Film und Fernsehen der DDR ein interessantes Kapitel und die Entertainerin und Musik-Star Regina Thoss bekennt, daß sie sich gerne an die Schulzeit erinnert. Ihren Musiklehrer konnte sie jedenfalls mit Love Me Tender“ davon überzeugen, daß Elvis Presley keine Kulturschande war.
 
Im Osten wie im Westen Deutschlands sind Schüler zuallererst einmal Kinder, für die alles neu und ein Abenteuer ist. Wie man sie schulisch ans Leben heranführt, war und ist systemabhängig, damals wie heute. Zieht man gelegentlich den Vergleich – mehr als 30 Jahre nach dem Wiederzusammenschluß Deutschlands verschwimmen zwar mehr und mehr solche Unterschiede –, fällt auf daß ehemalige DDR-Schulabsolventen trotz ideologischen Korsetts in gewissen Bereichen ihren westlichen Altersgenossen etwas voraus sind. Schon deshalb ist es hochinteressant, dieses Buch zu lesen. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
Wie der Osten zur Schule ging
Ein Streifzug durch den Schulalltag der DDR
Mit Beiträgen von: Klaus Behling, Uli Jeschke, Anke Nussbücker, Frank-Rainer Schurich, Frank Nussbücker, Daniela Grosch, Rolf Kremming, Henner Kotte, Wolfgang Schüler, Wilfried Poßner und Cartoons von Mario Lars und Erich Schmitt
 
© 2020  BEBUGmbh / Verlag Bild und Heimat, 172 Seiten, gebunden, Fadenheftung, zahlreiche Fotos und Plakate – ISBN: 978-3-95958-233-9
14,99 €

Weitere Informationen: www.bild-und-heimat.de