Zusammenprall

Frauke Buchholz – „Frostmond“

von Frank Becker

Zusammenprall
 
„Frostmond“ – ein Krimi von Rang
 
Seit Jahren verschwinden entlang des Transcanada-Highways junge indigene Frauen spurlos, die entweder nie wieder auftauchen oder als Mordopfer. Die kanadische Polizei geht mit dieser Serie – 18 sind es mittlerweile – ausgesprochen nachlässig um, es sind ja nur Squaws…
Doch als die 15-jährige Cree Jeanette Maskisin in Montreal tot aufgefunden wird und die Medien darüber groß berichten, werden der Profiler Ted Garner von der RCMP und der Ermittler Jean-Baptiste LeRoux von der Sûreté Montreal als gemischtes Team auf den Fall angesetzt.
Sie beginnen mit ihren Ermittlungen in Niskawini, im Cree-Reservat im hohen Norden Quebecs, woher Jeanette Maskisin stammte. Dort stoßen die beiden unterschiedlichen Polizisten, zwischen denen sich auch ein persönlicher Konflikt aufbaut - auf eine Mauer des Schweigens und auf Lügen, denn aus Sicht der First-Nation-Familien hat sich die Polizei nie für die vermißten Frauen interessiert, was ja wohl auch der Wahrheit entspricht.
Zum Kreis der Verdächtigen zählt neben u.a. einem Trucker und einem Lehrer für die Ermittler auch Jeanettes Vetter Leon Makisin, der aber eigene Pläne verfolgt und sich selbst auf den Weg macht, um ihrer Spur zu folgen und den Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Frauke Buchholz macht den vielfältigen Zusammenprall von Kulturen zum Kern ihres brillanten Krimis – nicht nur generell der Weißen mit der First Nation, sondern auch der Eingewanderten (Franzosen vs. Engländer / Sûreté de Québec vs. RCMP), der kanadischen Polizei mit der Niskawini Police Force und der Urbevölkerung (z.B. Cree vs. Inuit) untereinander. In hervorragenden Bildern läßt sie auch den Dschungel der Großstadt Montreal und ihres kriminellen Sumpfs mit der unendlichen Weite der kanadischen Natur in den autonomen Reservaten der First-Nation-Stämme und ihrer mystischen Bräuche kollidieren, ohne in Romantik zu verfallen. Denn die relative Chancenlosigkeit und Verwahrlosung der Urbevölkerung unter dem „zivilisatorischen“ Einfluß gehört entscheidend zum Kontext ihres sorgfältig recherchierten Romans.

Frauke Buchholz gelingt es, die knisternde Spannung über die kompletten 288 Seiten ihres brillant erzählten Romans mit geschickten Wendungen ohne den kleinsten Verlust zu halten. Und weil sie trotz der schließlichen Aufklärung einer Mordserie und des brutalen Mordes an der 15-jährigen Cree Jeanette Maskisin ein so raffiniert eingefädeltes offenes Ende präsentiert, muß zwangsläufig eine Fortsetzung folgen, auf die ich mich schon jetzt freue.
Ein echtes Bonbon für Freunde knallharter Hardboiled-Kost und raffiniert aufgebauter Handlungsebenen. Wer John Sandfords „Der indianische Schatten“ mochte, wird „Frostmond“ lieben. Ein wahrer „Page-Turner“, den man nicht aus der Hand legen kann. Von den Musenblättern vorbehaltlos empfohlen.
 
Frauke Buchholz – „Frostmond“
Kriminalroman
© 2021 Pendragon Verlag, 288 Seiten, Klappenbroschur - ISBN-13: 9783865327239
18,- €
Weitere Informationen: www.pendragon.de