Ein Gespenst geht um…

„Engels 2.0“ - Der ultimative Engelsfilm zum Engelsjahr

von Frank Becker

Ingeborg Wolff - Screenshot - Bildrechte: tic Theater

Arbeit nervt!
 
„Engels 2.0“ - Der ultimative Engelsfilm zum Engelsjahr
 
Eine Produktion des tic Theater Wuppertal
 
Idee, Buch, Musik und Instrumente: Stefan Hüfner – Filmrealisation: Siegersbusch Film (Schnitt & Zeichnungen: Celina Rabanus) – Dialogregie: Ralf BuddeMaske Julia Meier: Elke Quirmbachzusätzliche Texte von Bertolt Brecht, Deichkind, J. Halvey, Ira Gershwin, Heinrich Heine, Friedrich Engels und Karl Marx
Mit: Ingeborg Wolff (Ingeborg Wolff) – Thomas Gimbel (Tom Uhro) – Julia Meier (Eleanor Marx, Ukulele) – Jana Konietzki (Jana Konietzki) – Michael Baute (Passant, Off-Sprecher) – Thomas Freitag (Stimme Willy Brandt) – Silvia Droste (Gesang)
 
Ein Gespenst geht um…
 
…und dieses Gespenst heißt in diesem Fall weder Europa noch Kommunismus sondern Julia Meier, pardon, natürlich Eleanor Marx, die Tochter von Karl Marx, die den Schauspieler Thomas Gimbel in seiner Rolle als von der Pleite bedrohten Schauspieler Tom Uhro an der Hand nimmt, um ihm bei der Arbeit an seinem Script zu einer Friedrich Engels-Revue zur Seite zu stehen. Julia Meier, Ensemblemitglied der Wuppertaler Bühnen, ist idealbesetzt neben dem in jeder Phase überzeugenden Thomas Gimbel die immer wieder aus dem Dämmer der Geschichte auftauchende eigentliche Kernfigur von Stefan Hüfners Stück, in dem sie Vergangenheit und Gegenwart mit historischen Fakten und treffsicheren Kommentaren verbindet.
Daß die beliebte, jetzt in Leipzig lebende Schauspielerin Ingeborg Wolff als Ingeborg Wolff die Auftraggeberin spielt, ist ein weiterer unter vielen Glücksfällen dieser blitzgescheiten Revue über das Kommunistische Manifest und seine Verfasser Karl Marx und Friedrich Engels. Daß es hier eingangs nicht an Spitzen gegen einen rückgratlosen Großverdiener im öffentlich rechtlichen Rundfunk mangelt, liegt auf der Hand.


Julia Meier- Screenshot - Bildrechte: tic Theater


Thomas Gimbel, Julia Meier- Screenshot - Bildrechte: tic Theater

Das Spektrum von „Engels 2.0“ beleuchtet neben der eingehend gewürdigten Leistung der weltverändernden Sozialrevolutionäre und ihrer Zeit in Manchester und im Wuppertal auch deren Privatleben nebst den Pikanterien von Engels´ Liebesleben, schießt gegen die Vernachlässigung der Kultur in der gegenwärtigen Krisen-Zeit und Hungerlöhne für Schauspieler (haben Sie schon mal den Normalvertrag Bühne gesehen?), gegen gewissenlose ausbeuterische Großkonzerne wie den Schlachtbetrieb Tönnies und die eklatante Unfähigkeit der Wuppertaler Verkehrsbetriebe, das Erbe Eugen Langens angemessen zu pflegen. Für Uneingweihte: Das einzigartige Industriedenkmal Schwebebahn fährt nun schon zum zweiten Mal (oder ist es bereits das dritte Mal) aufgrund der Inkompetenz seiner Planer und Betreiber ein ganzes Jahr lang nicht, nachdem es zuvor über 100 Jahre lang wunderbar funktioniert hat. Und dann ist da ja auch noch das Gott, von Stefan Hüfner gendergerecht und politisch völlig korrekt versachlicht, was den Umgang mit dem nebulösen und von so mancher Religion mißbrauchten Begriff irgendwie doch leichter macht.
 
Zitiert werden neben Marx´ und Engels´ „Kommunistischem Manifest“ und Engels´ „Briefen aus dem Wuppertal“ u.a. Texte und Lieder von Bertolt Brecht und David R. Precht, Ferdinand Lassalle und Georg Herwegh, Heinrich Heine und Deichkind, Kurt Feltz und Ira Gershwin.
Mit unerhört viel Witz und Esprit, und natürlich mit dem umarmenden Charme von Ingeborg Wolff hat das Wuppertaler tic Theater eine politisch-satirische Kabarett-Revue von einem Format auf die Beine gestellt, wie man es vom Düsseldorfer Kom(m)ödchen unter Lore und Kay Lorentz von den 50er bis in die 80er Jahre kannte. Mit anderen Worten: ein politisch gepfefferter, literarisch hochwertiger Geniestreich von hoher Aktualität und mit Weitsicht.
Stefan Hüfner konnte neben den Genannten weitere große Namen für das Projekt gewinnen, die einzigartige Sängerin Silvia Droste, die deutsche Jazz-Geschichte geschrieben hat, den sprachgewaltigen Kabarettisten Thomas Freitag, der für Toneinspieler den Witze erzählenden Willy Brandt gesprochen hat, die hochbegabte Hamburger Musical-Darstellerin Jana Konietzki und nicht zu vergessen Michael Bautes markante Erzähler-Stimme aus dm Off.


Jana Konietzki - Screenshot - Bildrechte: tic Theater


Silvia Droste ... und der Haifisch... - Screenshot - Bildrechte: tic Theater

In abendfüllendem Format und pointiert unterhaltsam werden der Mensch Friedrich Engels, seine Ideen und seine Welt im Mono- und Dialogen, musikalischen Soli und Ensemblenummern vorgestellt. Silvia Droste und Ensemble beschwören den Brechtschen Haifisch, eine köstliche Ensemblenummer „Immer wieder sonntags“ nimmt die Schwebebahn-Pleite auf die Schippe und Jana Konietzki faltet als Präludium für die industrielle Massenproduktion Papierflieger. Außerdem erklärt sie die Welt. Peter Lustig und die Maus lassen grüßen. Was hat sich eigentlich seither verändert - oder eben auch nicht? Wie präsentiert sich der Haifisch Kapitalismus heute?  
 
Da wir von Glücksfällen sprachen: Siegersbusch Film ist ein weiterer solcher. Von dem Wuppertaler Unternehmen nämlich wurden die Aufnahmen mit Hilfe der Greenscreen-Technik gemacht, geschnitten und zusammengefügt, um einerseits möglichst großen Spielraum bei der Bildmontage zu haben, zum anderen konnten auf diese Weise alle Schauspieler coronakonform (wann wir wohl auf diese Vokabel werden verzichten können!) einzeln aufgenommen werden. Die Ton- und Bildaufnahmen entstanden in Wuppertal, Leipzig und Hamburg.
Der Film ist mit Abstand das Beste, was bisher zum Thema vorgelegt wurde, mit hohem Unterhaltungs- und Informationswert weit über das Engels-Jahr hinaus. Eine Empfehlung der Musenblätter und mit unserem Prädikat, dem Musenkuß versehen.

 
Der Engelsfilm „Engels 2.0“ kann auf der TiC-Homepage kostenfrei angesehen werden.
 
Weitere Informationen: www.tic-theater.de