Schweres leicht serviert

Deborah Levy – „Heim schwimmen“

von Frank Becker

Lebensentwürfe
 
Schweres leicht serviert
 
Angst essen Seele auf  hieß Rainer Werner Fassbinders 1974 gedrehtes Drama um eine „unmögliche“ Liebe. Wir finden in Deborah Levys ganz kleinem, aber gewichtigem Roman „Heim schwimmen“ eine Entsprechung, denn auch die Einsamkeit kann auffressen. Sehnsucht nach Anerkennung, nach Liebe, nach Erfüllung kann auffressen. Nach der Lektüre dieses Buches weiß man, daß es so ist, und man weiß, daß es mitunter vielleicht keinen anderen Weg zur Rettung gibt als diesen…
 
Zwei Ehepaare in etwas merkwürdiger Konstellation sind aus London an die französische Riviera gekommen, um in der brütenden Hitze des Midi in einem pittoresken Haus bei Nizza Urlaub zu machen: Der erfolgreiche Schriftsteller Jozef (Joe) Jacobs und seine weitgereiste Frau Isabel, äußerlich zwar hartgesottene Kriegsberichterstatterin, beide aber unerfüllt vom Leben. Dazu ein, na ja, befreundetes Ehepaar, dessen wirtschaftliche Situation mehr als angespannt ist. Und dann ist da noch Nina, die durch ihre Pubertät orientierungslose vierzehnjährige Tochter Joes und Isabels, die wenig von ihren Eltern hält, aber sich gerne vom lokalen Barbesitzer Claude entjungfern lassen würde. Also eigentlich das Personal für einen leichten, spritzigen französischen Film der Marke Un moment d’égarement von Jean-François Richet. Passend dazu schwimmt im reinsten Wortsinn eine rothaarige Nackte mit bemerkenswerten Brüsten in diese Scheinidylle und bringt sie gehörig durcheinander. Kitty Finch wird mit ihrer unkonventionellen Lebensweise, Ausstrahlung und ihrer Obsession für Joe der Stachel im Fleisch dieser nervös pulsierenden Konstellation, die sich Schicht für Schicht von ihren Lebenslügen trennen muß.
 
Deborah Levy hat eine fiebrige Atmosphäre unter südlichem Himmel geschaffen, in der sie ihre dramatis personae treiben, Begehrlichkeiten entwickeln, Lügengespinste spinnen und Ernüchterungen erleben läßt. Erotik bleibt unterschwellig, doch omnipräsent, Lebensentwürfe werden scheitern und das fatal versöhnende Ende wird den Leser wegen seiner Folgerichtigkeit nicht verstören. Ein Roman, den man gleich noch einmal lesen muß. Von den Musenblättern empfohlen.
 
Deborah Levy – „Heim schwimmen“
Roman
Übersetzung aus dem Englischen von Richard Barth
© 2021 Klaus Wagenbach Verlag, 159 Seiten, Broschur - ISBN-13: 9783803128379
12,- €
 
Weitere Informationen: www.wagenbach.de