Schmökertips für die Ostertage

Ausgewählt

von der Musenblätter-Redaktion

Jean-Honore Fragonard, Leserin
Tips für die Ostertage
 
Spannende Neuerscheinungen deutscher Verlage
 
Wir wollen nach wie vor nicht schwarzmalen, aber wer sich im augenblicklichen Weltgeschehen umschaut und Realist ist, wird einsehen, daß die Situation angesichts des uns nebst seinen Variationen überrollenden Virus mit dem Namen CORVID-19 schon bedenklich ist. Es ist auch in Deutschland zu erwarten, daß die Behörden aus gutem Grund erneut und verstärkt temporäre Ausgangsverbote aussprechen werden, was besonders während der Ostertage zum Zuhausebleiben auffordert. Man sollte dem unbedingt Folge leisten.
Damit Ihnen und uns die Zeit in einem solchen Fall nicht lang wird, halten die deutschsprachigen Verlage unterhaltsame, interessante und spannende Literaturen vor, die dabei helfen, die Tage, möglicherweise Wochen der häuslichen Isolation kurzweilig zu überstehen. Wir haben uns um einige der Angebote gekümmert und möchten Ihnen heute ein paar spannende Romane und Sachbücher aus der nahezu unüberschaubaren Zahl aktueller Neuerscheinungen vorstellen. Nach dem Hineinschnuppern und nach den ersten Leseeindrücken haben wir aus der Fülle eine kleine Auslese getroffen. Einige alte Bekannte sind dabei, wie James Lee Burke, Luca Ventura, Oliver Buslau, Anja Liedtke, Nicola Förg und Benedict Wells.
 
Nehmen Sie unsere kleine, knapp kommentierte Auswahl, zu der wir uns teils auch der kurz gefaßten, markanten Verlagspressetexte bedienen (weil diese unserer Ansicht nach den Kern treffen), als Schmöker-Empfehlung. Einzelne Titel werden wir nach eingehender Lektüre später sicher noch einmal gute, spannende und informative Unterhaltung auf hohem Niveau. Viel Vergnügen!

 
Luca Ventura – „Bittersüße Zitronen“

Auf Capri, der so oft besungenen Insel im Mittelmeer, Synonym für Romantik und Idylle, mit steilen Felsen, bunten Häusern, Grillenzirpen und dem Duft nach Pinien und Sonnencreme, der schönsten Insel der Welt also reifen die Zitronen für den berühmten Likör Limoncello von Capri. Doch plötzlich liefert die Familie Constantini nicht mehr, sie will auf Bio-Früchte umstellen und diese mit Crowdfarming vertreiben. Als Elisa Constantini bei einem mysteriösen Unfall mit einer geliehenen dreirädrigen Ape auf den Serpentinen Capris stirbt, leiten der junge Polizist Enrico Rizzi und seine tatkräftige Kollegin Antonia Cirillo, die mittlerweile auf Capri heimisch geworden ist – wir kenne beide schon aus „Mitten im August“ -, Ermittlungen ein und blicken in einen düsteren Abgrund von so verbotenen wie fatalen Liebschaften und Familienfehden. Es war natürlich kein Unfall, stellen die Ermittler fest und müssen nun klären, wem der Anschlag galt.
 
Luca Ventura – „Bittersüße Zitronen“
Der Capri-Krimi
© 2021 Diogenes Verlag AG, 315 Seiten, Flexibler Einband ISBN-13: 9783257300826
16,- €
Weitere Informationen: www.diogenes.ch
 
 
James Lee Burke – „Dunkle Tage im Iberia Parish“

Als eine Frau namens Trish Klein in aufgewühltem Zustand in New Iberia auftaucht, stellt Dave Robicheaux fest, dass es sich dabei um die ­Tochter von Dallas Klein handelt - seinem Freund aus dem Vietnamkrieg, für dessen Tod er sich bis heute ­schuldig fühlt. Kaum angekommen, schließt Trish ­zweifelhafte Deals in Casinos ab. Der Verdacht kommt auf, daß sie in Wahrheit einen viel größeren Coup plant. Kann es sein, dass Trish den Mord an ihrem Vater rächen will? Und was hat sie mit dem angeblichen Selbstmord einer jungen Studentin zu tun? Um den Fall ­aufzuklären, muß Robicheaux sich endlich seinen Schuldgefühlen stellen. Ein neues Meisterwerk von James Lee Burke.

Leseprobe: „Heute bin ich Detective im Iberia Parish Sheriff’s Department und lebe von meinem bescheidenen Gehalt am Bayou Teche. Mit meiner Frau Molly, einer ehemaligen Nonne, bewohne ich ein kleines Haus im Schatten von Eichen, die mindestens 200 Jahre alt sind. Von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen, habe ich es mit wenig spektakulären Fällen zu tun. Doch letztes Frühjahr, um die Zeit, als die Azaleen zu blühen begannen, kam mir an einem trägen Nachmittag etwas unter, dessen Tragweite erst später deutlich wurde – ein Fall wie viele, die irgendwann in einem Aktenschrank enden oder von denen man hofft, dass eine Bundesbehörde sich ihrer annimmt. Die Routineermittlung, die wir damals aufnahmen, erinnerte mich später an das leichte Beben, das durch einen Flugzeugrumpf geht, bevor Öl aus dem Triebwerk austritt und das Fenster verschmiert, durch das man auf die Wolken schaut.
An jenem Nachmittag kam ein Anruf von einer Fernfahrerraststätte herein. Eine Frau war während eines Reifenwechsels ins Casino gegangen und hatte zuerst einen 100-Dollar-Schein aus der Geldbörse gezogen, es sich dann aber anders überlegt und dem Angestellten einen Fünfziger gegeben.
„Sorry, ich hab nicht gesehen, dass ich es auch kleiner habe.“
„Der Hunderter ist kein Problem“, meinte der Angestellte.
„Nein, ist schon okay“, erwiderte die Frau.
Der Mann sah, dass die Kundin in ihrer Geldbörse zwei 100-Dollar-Scheine mit roten Farbspuren an den Rändern hatte.“
 
James Lee Burke – „Dunkle Tage im Iberia Parish“
Ein Dave Robicheaux-Krimi, Band 15
Übersetzung: Norbert Jakober
© 2021 Pendragon Verlag, 477 Seiten, Broschur - ISBN-13: 9783865327451
 
 
Anja Liedtke - „Ein Ich zu viel“
Der fünfte Roman der Bochumer Autorin
 
Ellinor hat das Gefühl, ihr Leben schon gelebt zu haben. Sie ist gescheitert, weil sie sich angepaßt und nicht behauptet hat. Im zweiten Leben will sie alles richtig machen. Aber wie geht das?
Sie läßt sich zum Abitur Geld schenken und reist nach New York. Doch das Sehnsuchtsziel ihrer Generation bietet keine Orientierung und keine Heimat, bis Ellinor Dan Guttman begegnet. Dan ist ein Kind jüdisch-deutscher Eltern, die vor dem Holocaust nach Südamerika geflohen waren. Die Familie gehört zu den Opfern der dortigen Diktatur. Dan überlebt, wird adoptiert und erfolgreicher Psychologe und Familienvater. Er nimmt Ellinor auf, verschafft ihr einen Job und berufliche Perspektiven. Bei ihm findet sie Verständnis für ihre Zerrissenheit zwischen Schuldgefühlen für die deutschen NS-Greuel und Aufbegehren gegen die Elterngeneration. Gemeinsam reisen sie nach Argentinien und wachsen durch die Konfrontation mit erschreckenden Kindheitserlebnissen. Am Ende trifft Ellinor auf die Person, die sie ohne Dan wohl geworden wäre. Die beiden Frauen, die eigentlich nur eine sein dürften, sitzen sich im Café gegenüber.
Der Roman von Anja Liedtke geht der Frage nach, was es braucht, um sein Selbst und sein Menschsein zu entwickeln. Zugleich beleuchtet das Buch die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die nachfolgenden Generationen.
 
Anja Liedtke - „Ein Ich zu viel“
Roman,
© 2021 Asso Verlag, Oberhausen, gebunden, 211 Seiten -  ISBN 978-3-938834-97-8
18,- €
Weitere Informationen: www.assoverlag.de
 
 
Benedict Wells – „Hard Land“

Missouri, 1985: Um vor den Problemen zu Hause zu fliehen, nimmt der fünfzehnjährige Sam einen Ferienjob in einem alten Kino an. Und einen magischen Sommer lang ist alles auf den Kopf gestellt. Er findet Freunde, verliebt sich unsterblich in Kirstie Andretti und entdeckt die Geheimnisse seiner Heimatstadt. Zum ersten Mal ist er kein unscheinbarer Außenseiter mehr. Bis ihn der plötzliche Tod seiner Mutter zwingt, erwachsen zu werden.
Benedict Wells hat eine witzige und zugleich berührende Hommage an 80er Jahre-Filme wie „The Breakfast Club“, „Moonrise Kingdom“ und „Stand By Me“ gesxhrieben (Soundtrack und Literatur-Empfehlungen eingeschlossen). Es ist die Geschichte eines Sommers, wie ihn viele von uns erlebt haben und den man nie mehr vergißt.
 
Benedict Wells – „Hard Land“
Roman
© 2021 Diogenes Verlag, 343 Seiten gebunden, ISBN-13: 9783257071481
24,- €
Weitere Informationen: www.diogenes.ch
 
 
Domenico Starnone – „Im Vertrauen“

Nach einem Streit vertrauen Pietro und Teresa einander ihre schlimmsten, immer verschwiegenen Geheimnisse an. Das soll die beiden unzertrennlich machen, ihre stürmische Beziehung retten. Kurz darauf gehen sie trotzdem auseinander.
Pietro, Lehrer an einem Vorstadtgymnasium in Rom, verliebt sich in seine Kollegin Nadia. Die ist das genaue Gegenteil der aufbrausenden, spöttischen Teresa, und Pietro bemüht sich von nun an, ein besserer Mensch zu sein: ein aufmerksamer Partner, fürsorglicher Familienvater, begeisternder Lehrer, ein Mann, der scheinbar überall gefällt. Bis Teresa wieder auftaucht - und mit ihr die Vergangenheit und die ständige Drohung, ihn auffliegen zu lassen ...
Domenico Starnone treibt ein spannendes und ausgeklügeltes Spiel mit den nicht immer zuverlässigen Geschichten, die Menschen von sich und anderen erzählen: Wem ist hier zu trauen? Und kann einen die Angst vor den eigenen Geheimnissen zu einem guten und glücklichen Menschen machen?
 
Domenico Starnone – „Im Vertrauen“
Roman
© 2021 Verlag Klaus Wagenbach, 166 Seiten, Ganzleinen – ISBN: 978-3-8031-1357-3
20,- €
Weitere Informationen: www.wagenbach.de
 
 
Mary Shelley – „Der letzte Mensch“

Die Welt im 21. Jahrhundert, genauer: 2089. England ist soeben Republik geworden. Junge Menschen aus unterschiedlichen Schichten finden zusammen und gründen eine verschworene Gemeinschaft. Doch dann tritt eine neuartige, ausnahmslos tödliche Form der Pest auf. Die Erzählung folgt Lionel Verney, der sich mit seiner Schwester Perdita und seinen Freunden Idris und Adrian zunächst in der jungen englischen Republik politisch engagiert. Sie machen sich ihrem Ideal Lord Byron folgend nach Griechenland auf, doch im Süden geraten sie erstmals in Kontakt mit einer neuartigen Pest, die sich mit verheerende Auswirkungen auf die Menschheit, auf Wirtschaft, Sozialsystem und Politik nach und nach in Europa und Nordamerika ausbreitet. Bald herrschen in England apokalyptische Zustände. Den Freunden und ihren Familien bleibt nur die Flucht. Aber wo können sie eine neue Heimat außerhalb der Gefahr finden?
Über allen schwebt eine Frage: Was ist angesichts einer weltweiten Krise der öffentlichen Gesundheit zu tun? Mary Shelleys Roman von 1826, die allererste Dystopie der Weltliteratur, liest sich unter der Last der in diesen Zeiten grassierenden, immer bedrohlichere Ausmaße annehmenden Corona-Pandemie beklemmend gegenwärtig.
Jean-Baptiste Cousin de Grainville hat mit seinem Roman „Le dernier homme“ 1805 eine Steilvorlage für Mary Shelley gegeben, Isaac Asimov hat wie Poul Anderson, Fredric Brown, Lester del Rey, Edmond Hamilton, Charles L. Harness, Damon Knight, Clifford D. Símak, A.E. van Vogt, Roger Zelazny u.a.m. mit „Der letzte Mensch auf Erden“ das faszinierende Thema wie viele andere später ebenso aufgenommen wie Herbert Rosendorfer mit seinem Roman „Großes Solo für Anton“.
 
Mary Shelley – „Der letzte Mensch“
Aus dem Englischen von Irina Philippi, Nachwort von Rebekka Rohleder – mit einem Essay von Dietmar Dath
© 2021 Verlag Philip Reclam jun., 587 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, Lesebändchen – ISBN: 978-3-15-011328-8
26,- €
Weitere Informationen: www.reclam.de
 
 
Irene Harand – „Antwort an Hitler 1935 – Sein Kampf“

Im Herbst 1933 gründete Irene Harand mit Moriz Zalman die „Weltbewegung gegen Rassenhaß und Menschennot“, die unter dem Namen „Harand-Bewegung“ bekannt wurde und als Antithese zur NSDAP-„Hitler-Bewegung“ auftrat. Die „Harand-Bewegung“ hatte zwischen 1933 und 1938 mehrere tausend Mitglieder und Ortsgruppen in vielen europäischen Staaten. Ihr Sprachrohr war die Wochenzeitung Gerechtigkeit, die von 1933 bis 1938 in einer Auflage von ca. 28.000 Exemplaren - für kurze Zeit auch in polnischer und französischer Sprache - erschien.
1935 erschien ihr Buch Sein Kampf Antwort an Hitler, welches sie auf eigene Kosten herausgab, in dem sie diverse antisemitische Stereotype widerlegte und in einem eigenen Kapitel auf die Fälschung der Protokolle der Weisen von Zion einging. 1936 erschien das Buch auf Französisch, 1937 auf Englisch. In ausgedehnten Vortragsreisen durch Europa und die USA (1937) versuchte Irene Harand die Öffentlichkeit gegen den Nationalsozialismus und im Speziellen gegen den Antisemitismus zu mobilisieren. Da sie der Ansicht war, daß prekäre wirtschaftliche Verhältnisse einen Nährboden für die Ideologie der Nationalsozialisten bildeten, übernahm sie Firmpatenschaften und organisierte Weihnachtsbescherungen für die Kinder Mittelloser und die Zusendung von Lebensmittelpaketen an Bedürftige.
1938 wurde ein Kopfgeld von 100.000 Reichsmark auf Irene Harand ausgesetzt und ihre Bücher wurden in Salzburg öffentlich verbrannt. Harand, die zu jener Zeit in Großbritannien war, konnte jedoch nicht gefaßt werden und flüchtete in die USA, wo sie die Exilorganisation „Austrian Forum“ mitbegründete und in den 1940er Jahren die Frauenorganisation der amerikanischen „Non-Sectarian Anti-Nazi League to Champion Human Rights“ führte. Zudem verhalf sie österreichischen Juden zu Visa für die USA, wodurch mehr als 100 Menschen vor der nationalsozialistischen Verfolgung fliehen konnten. 1941 war sie in London an der Gründung des Free Austrian Movements beteiligt. 1969 wurde sie von der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet und erhielt 1971 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. (von H.F. Witzel itiert nach Wikipedia.)
 
Irene Harand – „Antwort an Hitler 1935 – Sein Kampf“
Neu herausgegeben von Herbert Friedrich Witzel
© 2021 Verlag Friedrich Herbert Witzel, 243 Seiten, Broschur – ISBN: 978-3-944324-62-3
20,- €
Weitere Informationen: www.worttransport.de