Es singt und blüht: Das Fagott

Sophie Dervaux – „Impressions“

von Johannes Vesper

Es singt und blüht:
Das Fagott
 
Kein furzender Bettpfosten, der schnarrt oder lustig im staccato stottert, nein es singt natürlich, klingt der menschlichen Stimme ähnlich, rund, klar, voll und sonor in der Tiefe, tenoral in der Höhe und ist seit mehr als 300 Jahren als Orchesterinstrument nicht wegzudenken. Im Barockorchester vorwiegend Basso continuo, gibt es aber schon von Antonio Vivaldi zig Solokonzerte und immerhin von Mozart eins für das Instrument. Die Rede ist vom Fagott. Aus älteren Doppelrohrblattinstrumenten wie Pommer und Dulcian entwickelt, ist der Bauplan seit ca. 1670 (ital. = Bündel) prinzipiell unverändert. Nach wie vor wird es aus Schallstück, S-Bogen, Flügel, Baßstange und Stiefel, quasi gelöcherten Holzstücken, „gebündelt“ zusammengesetzt. Seit 1831 verbesserten Carl Almenräder, Johann Adam Heckel und vor allem auch dessen Sohn Wilhelm durch Änderung der Bohrungen (inzwischen 19 Bohrlöcher) und Erweiterung der Klappenmechanik das Instrument, sodaß mit noch größerem, gesangvollerem Ton chromatisch endlich auch alle Töne gespielt werden konnten. Später gelang es, die Bohrungen mit Kautschuk auszufüttern, so Holzfäule zu meiden und durch die spiegelglatte Innenwand die Ansprache weiter zu vereinfachen.
 
Sophie Dervaux, seit 2015 Solofagottistin der Wiener Philharmoniker wie des Wiener Hofopernorchesters (zuvor in gleicher Position bei den Berliner Philharmonikern) liebt dieses wunderbare Instrument und hat als dessen Botschafterin für ihr Debüt-Album, welches im April 2021 bei Edel erscheinen wird, die schönsten Stücke aufgenommen. Natürlich gibt es in Sinfonien und Opern wichtige Stellen für das Fagott: in J.S. Bachs Kantaten, bei Beethoven (4. Sinfonie 4 Satz.), im Bolero von Maurice Ravel, in Schostakowitschs 9. Sinfonie, beim „Alten Schloß“ in „Bilder einer Ausstellung“ um nur einige Stellen zu nennen. Auf der CD aber spielt Sophie Dervaux französische Sololiteratur mit Klavierbegleitung
 
Die Sonate von Camille Saint-Saëns(1835-1921) op. 168 atmet liedhaft elegisch weit zu weichen gebrochenen Klavierfiguren. Das clowneske Scherzo läßt nicht ahnen, daß der Komponist das Stück im Alter von 85 Jahren geschrieben hat. Mit Reynaldo Hahns (1874-1947) Hommage an Chloris, die Göttin des Frühlings, wandert das Fagott langsam durch Höhen und Tiefen des farbigen Tonspektrums, singt in den Farben dieser Jahreszeit. Die Instrumentalistin will mit diesem Siciliano ihren Lehrer ehren. Im musikalischen Impressionismus bei Maurice Ravels (1875-1937) „Piece in form d`habanera“ wie bei Gabriel Faurés(1845-1924) „Après un rêve“ und Claude Debussys (1862-1918) berühmtem „Claire de Lune“ und „Beau Soir“ ist die ganze Vielseitigkeit des Fagotts gefordert. Mit viel Zärtlichkeit im Ton spürt Sophie Dervaux der Stimmung und dem Traum nach. Charles Koechlin (1867-1950), wie Reynoldo Hahn Schüler von Gabriel Fauré, erweist sich mit seiner Sonate op. 71 schon moderner, ist munter auf dem Weg zur Polytonalität. Bei der „Sarabande et cortège“ von Henri Dutilleux (1916-2013) glaubt man manchmal den „Zauberlehrling“ (Paul Dukas) im 20. Jahrhundert vor Ohren zu haben. Mit dem wildesten Stück der CD von Roger Boutry (1932-2019) zeigt Sophie Dervaux, „was das Fagott draufhat“. Insgesamt ist die anregende Kombination von Fagott und Klavier in Kammerkonzerten selten zu hören. Im schönen Beiheft (Deutsch und Englisch) liest man ein Interview der Künstlerin, erfährt der Leser, worum es ihr mit ihrem Instrument geht (Text: Martin Morgenstern). Die Veröffentlichung dieser Kostbarkeiten erfolgt am 16.April 2021.
 
Sophie Dervaux – „Impressions“
© 2021 Berlin Classis, Edel Germany GmbH (CD)
Sophie Dervaux (Fagott) - Sélim Mazari (Klavier)

Stücke: Camille Saint Saëns: Sonate für Fagott und Klavier G-Dur op. 168 1. Allegro moderato, 2. Allegretto scherzando, 3. Molto adagio, 4. Allegro moderato. Reyhnaldo Hahn 5. À Chloris. Maurice Ravel 6. Piéce en forme d´habanero. Gabriel Fauré 7. Après un rêve. Claude Debussy : 8 Claire de Lune, 9. Beau soir. Charles Koechlin : Sonate op.71 10. Andante moderato, Allegro scherzando, 12 Nocturne, 13, Allegro. Henri Dutilleux 13. Sarabande et cortegé. Roger Boutry : 14 Interférences
Gesamtzeit: 55:20

Weitere Informationen : www.edel.com