Mona Lisa enträtselt

Veit Probst zur Entstehungsgeschichte der Mona Lisa

von Johannes Vesper
Enträtselt:
Leonardos rätselhafte Mona Lisa
 
Seine Zeitgenossen hielten ihn für wechselhaft und unbeständig, „so daßes scheint, er lebe ohne jeden Plan“¹. Nach seiner Tätigkeit als Kriegsingenieur in Mittelitalien war Leonardo da Vinci, als er im März 1503 in Florenz eintraf, jedenfalls knapp bei Kasse, wie man den Bewegungen seines Kontos bei der Banca Santa Maria noch heute entnehmen kann. Der Auftrag des Kaufmanns Bartolomeo del Giocondo, seine Frau zu porträtieren, wäre also gerade recht gekommen. Erst im Oktober 1503 folgte der finanziell entlastende große Auftrag der Stadtverwaltung von Florenz für das Wandgemälde des großen Ratsaales im Palazzo Vecchio.

Insgesamt spricht einiges dafür, daß Vasari recht hatte und es sich bei der Mona Lisa im Louvre tatsächlich um das Bild der Lisa del Gioconda handelt. Vasaris Künstlerbiographien erschienen aber erst 1550 (überarbeitet 1568), also mehr als 50 Jahre später. Zudem hatte Vasari das Gemälde, welches sich zu dieser Zeit schon im Besitz des französischen Königs befand, selbst nie gesehen.  Bei dem wohl berühmtesten Gemälde der Kunstgeschichte, welches an einem einzigen Tage bis zu 65.000 Menschen zu sehen begehren², war es unter Kunstgeschichtlern nie ganz klar, um wen es sich bei der Dargestellten wirklich handelt. Pacifica Brandano, die Mätresse des Giulinao de Medici, Isabell d ´Este, Costanza d `Avalos aus Neapel oder Isabella Gualanda kamen als Portraitierte in Frage. Auch wurde überhaupt bezweifelt, dass eine bestimmte Frau dargestellt worden ist. Es könnte sich auch um einen von Leonardo idealisierten Typus „Frau“ handeln. Spekulationen feierten fröhliche Urständ bis hin zu der abstrusen Annahme, es handle sich um ein homoerotisch gefärbtes Selbstportrait Leonardos.

Neue Quelle in der Universitätsbibliothek Heidelberg

Nach der 2008 erschienenen Schrift von Veit Probst (Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg) ist der Fall der Mona Lisa aber jetzt abgeschlossen und ihre Identität eindeutig. Der Fund einer neuen Quelle läßt eine eindeutige Identifizierung zu. Bei der neuen Quelle handelt es sch um eine im Jahre 2005 in der Heidelberger Universitätsbibliothek von Armin Schlechter entdeckte Randnotiz des florentinischen Staatsbeamten Agostino Vespucci zu Ciceros Briefen. Cicero schrieb im Dezember  des Jahres 54 vor Christus in einem Brief, der Maler Apelles habe an seiner Venus den Kopf und den oberen Teil der Brust kunstvoll ausgeführt, die übrigen Teile des Körpers habe er jedoch unfertig gelassen.
Agostino Vespucci, Mitarbeiter Macchiavellis, war ein gebildeter Mann. Er hatte Ciceros Briefe über Jahrzehnte immer wieder gelesen und mit Anmerkungen versehen. Seine jüngst entdeckte Äußerung zu dieser Textstelle bei Cicero lautet: Der Maler Apelles³. So macht es Leonardo da Vinci in allen seinen Gemälden, wie z.B. dem Antlitz der Lisa del Gioconda und der Anna, der Mutter der Jungfrau. Wir werden sehen, was er bezüglich des großen Ratsaales machen wird, worüber er sich gerade mit dem Gonfaloniere geeinigt hat. Oktober 1503.“
Hier handelt es sich um den frühesten Hinweis auf unser Gemälde. Vespucci kannte Leonardo, hatte er doch Anfang 1503 mit ihm schon die Umleitung des Arno geplant, um dem feindlichen Pisa das Wasser abzugraben. Leonardo hatte damals vorgeschlagen, den Arno zu regulieren und so Florenz zu einem Seehafen zu verhelfen. Kurz nach Beginn der Arbeiten war das Projekt aber wegen unüberschaubarer Kosten schnell wieder ad acta gelegt worden. Die Randnotiz dieses hochgebildeten Florentiners läßt ohne weiteres folgende Schlüsse zu: Vespucci hat im Oktober 1503 Leonardos  Mona Lisa gesehen und gibt einen eindeutigen Hinweis auf die Identität der Dargestellten. Eine vollständige Beschreibung des Bildes, welches Vespucci 1503 gesehen hat, liefert diese Randnotiz aber nicht. Es fehlen Hinweise auf Hintergrund und Hände, die vielleicht noch nicht gemalt worden sind. Auch existiert kein zweites Bild Leonardos der Lisa del Gioconda, welches zum Vergleich der Gesichtszüge herangezogen werden könnte.  Damit ist nicht vollständig ausgeschlossen, dass das von Leonardo 1503 gemalte und in der Randnotiz erwähnte Gemälde zwar Lisa del Gioconda darstellte aber nicht mit der Mona Lisa im Louvre identisch ist. Natürlich werden die Kunsthistoriker weiter forschen, suchen und argumentieren. Es wäre auch wirklich schade für die Zunft, wenn die Akten über dem Faszinosum der Guioconda tatsächlich geschlossen wären. Unter Berücksichtigung aller Quellen, vor allem aber der neuen Quelle aus der Heidelberger Universitätsbibliothek,  kann jedoch ein ernsthafter Zweifel an der Identität der Mona Lisa jetzt nicht mehr begründet werden.   

(1) Korrespondenz zwischen Pietro Novellara und er Markgräfin Isabella d`Este (1501)
(2) „Der Spiegel“ vom 22.10.2007   zitiert nach Veit Probst s.u.
(3) Apelles, berühmtester Maler der Antike, Zeitgenosse Alexanders des Großen (also 4. Jahrhundert vor Christus)


Veit Probst
Zur Entstehungsgeschichte der Mona Lisa
Leonardo da Vinci trifft Niccolo Machiavelli und Agostino Vespucci
Heidelberger Studien zu Humanismus und Renaissance Bd. 1.
56 S. mit 9 Abb., Broschüre.
ISBN: 978-3-89735-538-5, € 9,90

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