Über verteilte Aufgaben
in einer Beziehung
Jeder Mensch braucht einen Menschen an seiner Seite, der weiß, wie man wirklich ist, sonst fängt man an Golf zu spielen. Es ist doch so, daß man zu jemandem, den man gern hat, anders ist, als zu jemandem, dem man sagen muß, daß er seinen Rasen nicht gemäht hat. Ich sprach jetzt mit Udo Olschewski, der mir bestätigt hat, daß er gegenüber einem Bombenentschärfer anders auftreten muß, als zu der Person, die er liebt. Ein Scherz wie „Schatz, du bist eine Bombe“, wird da aber trotzdem erlaubt sein. Ich kenne viele Paare, bei denen es einen gibt, der etwas sieht und den anderen, der es sich dann anschauen muß. „Schau mal“, fangen viele einen Satz an, wenn sie etwas entdeckt haben. Oft sind es die Frauen, die in den Himmel schauen und Kraniche sehen oder an den Wegrändern die ersten Frühlingsboten begrüßen. Während Frauen, wenn sie beim Nachbarn eine Grillparty entdecken, an die Geselligkeit denken, denken Männer oft an die Würstchen und fragen sich, ob da mit einem Elektrogrill gearbeitet wird oder ein Mann mit dicken Backen in die Holzkohlenglut pustet und seine Gesundheit gefährdet. Ein gut gegrilltes Würstchen ist vielen Männern wichtiger, als an den Hochzeitstag zu denken. Männer wüßten gar nicht, daß es wieder in diesem Jahr so viele Spatzen gibt, wenn Frauen sie nicht darauf hinweisen würden. „Schau mal Schatz, die Spatzen“, sagen sie dann und zeigen irgendwohin, wo dann alles zu sehen ist, nur keine Spatzen, die schon wieder in einem Busch verschwunden sind. Männer tun dann oft so, als hätten sie die Spatzen trotzdem gesehen und würden sich darüber freuen, während sie im Kopfe versuchen die Trainerfrage vom SC Paderborn zu lösen. Ich kenne Männer, die nicht nur vortäuschen können, sie hätten die Entdeckung ihrer Frau gesehen, sondern diese dann später in Gesprächen mit Freunden einfließen lassen, um einen stolzen Blick ihrer Partnerin zu erhaschen. „Ich habe gehört, es soll in diesem Jahr viele Spatzen geben.“ Ich kenne ein Paar, das ist so gut eingespielt, daß der Mann, wenn er Bärlauch am Wegesrand sieht, davon nichts seiner Frau erzählt, sondern ihr diese Entdeckung überläßt, um dann sagen zu können: „Tatsächlich, da ist ja Bärlauch.“ Manchmal, wenn Eheleute spazieren gehen, wobei oft der Mann nur mitgegangen ist, weil die Frau ihm was zeigen will, sagt sie dann: „Schau mal“, aber spricht nicht weiter, sodaß er gar nicht weiß, was er schauen soll und dann in den Himmel blickt, die ganze Welt absucht und sich fragt, was sie denn nur gesehen haben könnte. Meinte sie die Wolken, die am Himmel ziehen und aussehen wie die Oberbetten von Betten Wegener? Und dann huscht doch nur wieder ein Eichhörnchen durch das Bild, das eine dieser modernen Brillen trägt, die jeden so aussehen lassen wie Nana Mouskouri. „Wie schön“, sagt er dann, „ein Eichhörnchen.“ Das ist Liebe.
© 2021 Erwin Grosche
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