Ehre ist bedingungslos

Lllian Garrett-Groags Drama „Die weiße Rose“ in Wuppertal

von Frank Becker

Tina Eberhardt Foto © Jürgen Diemer
Ehre ist bedingungslos
 
Schillertheater NRW Wuppertal: „Die weiße Rose“
 
 
Regie: Sarah Kors – Bühne: Wilfried Buchholz - Kostüme: Evelyn Schönwald - Dramaturgie: Marcel Klett - Foto: Jürgen Diemer
 
Besetzung: Tina Eberhardt (Sophie Scholl) – Markus Seuß (Hans Scholl) – Thomas Höhne (Alexander Schmorell) – Torsten Hermentin (Christoph Probst) – Gerhard Palder (Robert Mohr) – Wolfgang Vogler (Anton Mahler)
 
Wenn man Flöte spielen will, muß man selbst so sein wie ihr Klang“, sagt Sophie Scholl eingangs in Lillian Garrett-Groags Drama Die weiße Rose“ – „unbestechlich, objektiv, klar.“ Man kann diesen Satz als Motto über der Aufführung stehen lassen, die Sarah Kohrs unprätentiös, analytisch und zutiefst menschlich nach der Vorgabe der amerikanischen Autorin in Wilfried Buchholz' wirkungsvollem Bühnenbild und Evelyn Schönwalds bemerkenswerter Ausstattung inszeniert hat. Das Schicksal der Geschwister Hans und Sophie Scholl (Markus Seuß und Tina Eberhardt) und ihrer Freunde Alexander Schmorell (Thomas Höhne) und Christoph Probst (Torsten Hermentin), die durch ein paar Flugblätter und idealistische Ideen zur Gefahr für das verbrecherische Dritte Reich wurden, steht für die auch heute wichtigen Begriffe Aufrichtigkeit und Anstand - Zivilcourage nennt man diese Haltung auch. „Manchmal ist hohes moralisches Handeln die einzige Möglichkeit, um nicht verrückt zu werden.“ (Sophie Scholl)
 
Zu tiefer Ergriffenheit führte das intensive Spiel der ideal besetzten vier jungen Darsteller, die „ihre“ Personen, Persönlichkeiten verinnerlicht hatten, das Ideal dieser unschuldigen, von einer höheren Moral geleiteten jungen Menschen verkörperten. Die Bewegtheit und der Respekt der Zuschauer wurden ebenso spürbar wie das Entsetzen über die Erbarmungslosigkeit der Blutrichter.


v.l.: Thomas Höhne, Tina Eberhardt, Torsten Hermentin, Markus Seuß - Foto © Jürgen Diemer

Ihnen gegenüber standen Gerhard Palder als Kriminalobersekretär Robert Mohr und SS-Untersturmführer Anton Mahler, als der Wolfgang Vogler eine der diffizilsten Rollen zu bewältigen hatte und in der er eine brillante Leistung bot, einen kühlen Schergen der Macht, der am Ende einen Hauch von Regung zeigt. Gerhard Palder aber gehörte, besonders im Dialog mit der ebenbürtigen Tina Eberhardt, die Bühne. In unerhört dramatischen Spitzen nähert sich der Bürokrat der Haltung der zarten Blume Sophie an, in der er an seine eigene Tochter erinnert wird. Im Monolog, in der Auseinandersetzung mit Mahler und im Gespräch mit Sophie zeigt er sich als ganz großer Moralist, der dennoch nicht stark genug ist, sich und das Schicksal seiner Familie aufs Spiel zu setzen. Die Zerrissenheit dieses Menschenfreundes, die wilde Verzweiflung, mit der er versucht, wenigstens das Leben Sophie Scholls zu retten, doch an ihrem Standpunkt „Ehre ist bedingungslos“ scheitert, gehört zum Größten, was hier in den letzten Jahren zu sehen war. In diesen Momenten war es totenstill im Saal. Palders subtiles Spiel verlieh der Inszenierung eine Güte, die wirklich rar ist.
 
Frank Becker
15.11.00