Aussem Leben
Fränkischer Humor von Greser & Lenz
Als jüngst am 4.6. 2021 der brave Paketbote ächzend dieses Witzbüchlein von 3086 Gramm (plus Verpackung) in die Redaktion (3. Obergeschoß) gebracht hatte, er wurde übrigens fürstlich dafür entlohnt, war der erste Witz der, daß der rührige Verlag Antje Kunstmann höflich um Einhaltung einer Sperrfrist bis heute bat. Heute ist der 9.6.2021. Es blieben also knapp fünf Tage zum Betrachten und Belachen von 704 Seiten mit hochgerechnet 2.200 Witzzeichnungen bzw. Cartoons, wie das heute heißt. Von intelligenten, tief- und hintergründigen zumal. Da stand harte Arbeit bevor, zumal Hirnschmalz verflüssigt und Lachmuskulatur geschmeidig gemacht werden mußten. Wo wir doch zum einen eigentlich gar nicht gerne arbeiten und überdies nach 14 Monaten Corona-Kerker das Lachen nahezu verlernt hatten. Das war schlimm. Der Verlag muß das geahnt haben, gab er doch in weiser Voraussicht dem Buch nämlichen Titel: „Schlimm!“.
Also nicht gezaudert und flugs ans Werk. Der zweite Haken aber war, daß man das Buch seines Riesen-Taschen-Formats weder beim Lesen in der Hand noch auf dem Schoß halten und schon gar nicht nachtschichtig im Bett lesen kann. Da hieß es, brav auch spät nachts noch am Tische zu sitzen, auf dem knapp Platz für ein Bierglas blieb, welch Segen! und sich beim Schein elektrischen Lichts in die zärtlich böse Gedankenwelt von Heribert Lenz und Achim Greser zu versenken. Und sehr schnell stellte sich bei wachsendem Vergnügen die Erkenntnis ein, daß das ist gar nicht schlimm ist, sondern Futter für die grauen Zellen, Manna für den nervus humoricus und Massage für das so lange unbeanspruchte praecordia. Dann liest man im Klappentext, daß die beiden kongenialen Zeichner aus Franken stammen, schlägt sich erkennend vor die Stirn und denkt „na klar!“. Kennen wir doch diesen besonderen Humor von Matthias Egersdörfer und Fitzgerald Kusz.
Es sind Szenen aus dem Alltag, durchaus auch aus Ihrem oder meinem, aber auch über den Tellerrand geblickt aus dem bürgerlichen Leben des Neonazis, des strenggläubigen Moslems, unserer honorigen Volksvertreter, der gehobenen Arbeitswelt und jedweder Religion. Und weil ihr Blick scharf ist und weit geht, fließen selbstverständlich auch Kultur und herausragende Tagesereignisse, Sport und Ereignisse aus der Geschichte ein. Greser & Lenz mögen ab und an ein ganz klein wenig überspitzen oder schwarzhumorig sein, dann aber ist es für die Vermittlung der Botschaft ihrer Witzblätter unabdingbar. Und wird es gelegentlich mal despektierlich, dann scheint es nur so, denn in allem steckt tiefe Menschenliebe drin. Sie können sich denken, daß in der Musenblätter-Redaktion heftig gestritten wurde, welche der ca. 2.200 Zeichnungen wir exemplarisch zeigen sollen. Schließlich haben wir einfach nicht abgestimmt, sondern den Chef, also mich entscheiden lassen. Mir fiel es leicht, schließlich kann man das opulente Humorwerk an beliebiger Stelle aufschlagen - man ist immer richtig. Sie werden sich fragen, wieso hier kein Neonazi-Witz zu sehen ist. Ganz einfach: die Spacken sind mir einfach nicht wichtig.
Von vielen bisher vielleicht wenig wahrgenommen, doch hier unbedingt zu erwähnen sind die Tierbilder, denen das Buch einen Appendix widmet. Die wären einen Solo-Band wert. Eines, nein zwei, der Aktualität wegen, muß ich Ihnen hier unbedingt zeigen:
Mögen Greser & Lenz mindestens weitere 25 Jahre des Humorschaffens beschieden sein und mir die gleiche Zeitspanne, damit ich das mit Schmunzeln, Freude und auch ein ganz klein wenig Schadenfreude verfolgen kann. „Schlimm!“ ist ein ganz wunderbares Buch, das neben dem Großen Conrady, den Werken von Hermann Broch und Wenedikt Wassiljewitsch Jerofejews „Moskau - Petuschki“ in jede gescheite Hausbibliothek gehört. Für ein Vierteljahrhundert feiner Witze und dieses Buch gebe ich dankbar unser Prädikat, den Musenkuß (mit Sternchen). Sehr zu empfehlen.
Achim Greser / Heribert Lenz – „Schlimm!“
© 2021 Verlag Antje Kunstmann, 704 Seiten, Ganzleinen mit Deckelillustration, 29,5 x 24,5 cm, Lesebändchen, 3086 Gramm - ISBN: 978-3-95614-436-3
48,- €
Weitere Informationen: www.kunstmann.de
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