Auf dem Gipfel der Macht

Stefan Aust, Adrian Geiges – „Xi Jinping - der mächtigste Mann der Welt“

von Frank Becker

Auf dem Gipfel der Macht
 
Xi im Geiste Maos, Marx´ und Konfuzius´
 
Die Reihenfolge und der Einfluß der Mächtigen in der Volksrepublik China seit Mao Zedong sowie die Entwicklung des bevölkerungsreichsten Staates der Erde ist ein kompliziertes Thema. Stefan Aust und Adrian Geiges sind dem für ihr soeben bei Piper erschienenes Buch „Xi Jinping - der mächtigste Mann der Welt“ mit Akribie nachgegangen und liefern ein Bild des neuen China und seines allmächtigen Generalsekretärs der Kommunistischen Partei und Staatspräsident Chinas Xi Jinping, das einerseits fasziniert, vor allem aber tiefe Besorgnis auslöst.
Auf den bis heute verehrten Vorsitzenden Mao Zedong (Mao Tse-tung), dessen riesiges Porträt nach wie vor über dem Eingang zur Verbotenen Stadt im Zentrum Beijings (Peking) hängt und dessen einbalsamierter Leichnam im Mausoleum auf der anderen Seite des Großen Platzes täglich Tausende Ehre erweisen, folgten im Überwiegenden Apparatschiks und mehr oder weniger charismatische Führer wie Deng Xiaoping, Li Xiannian, Yang Shangkun, Jiang Zemin, Hu Jintao oder Hua Guofeng. Mit Xi Jinping hat sich ein Mann an die Spitze gearbeitet, der von einem anderen, größeren Kaliber ist als seine Vorgänger, hat er doch in historisch kurzer Zeit China auch zum mächtigsten Staat auf unserem Globus gemacht..
 
Stefan Aust und Adrian Geiges haben alle zugänglichen Informationen der Biographie Xi Jinpings, seiner politischen Karriere, seiner Weltsicht und seiner öffentlich sichtbaren Planungen für China sorgfältig ausgewertet. Sie zeichnen ein Bild eines moderat erscheinenden Mannes von enormer Energie und starkem Willen, der in seinem Staat uneingeschränkt herrscht, über die größte Armee der Welt verfügt und ein ausgeklügeltes nahezu lückenlos funktionierendes System zur Überwachung aller Bürger und Besucher des Landes ausbauen ließ. Über die konsequente Nutzung von KI-gesteuerter Mobiltelefon-Kontrolle und ebenso die Überwachung der Benutzung des streng kontrollierten Internets sowie Gesichtserkennung durch Hunderte Millionen von Kameras hat der chinesische Staat jederzeit jedermann im Blick.
 
Durch Handels- und Wirtschaftsbeziehungen in aller Welt nimmt China unter Xi gezielt Einfluß auf politische Entwicklungen vor allem in Afrika (besonders Angola), verschafft sich Zugang und Zugriff auf wichtige Rohstoffe, ist so aber auch in Südamerika, Südasien und sogar Europa tätig, denkt man u.a. daran, daß der griechische Hafen von Piräus China gehört und China wesentliche Anteile an der neuen Schienenverbindung von Shenzen nach Duisburg hält. Diesen Einfluß, da sind sich die Autoren sicher, nutzt  Xi bereits intensiv und wird es künftig mit Sicherheit noch stärker tun. Gleichzeitig treibt er die technologische Entwicklung Chinas ohne wenn und aber mit großen Opfern der Zivil-Bevölkerung voran, zementiert die Stellung Chinas in Tibet, unterdrückt mit brutaler Gewalt jede kritische Stimme, sei es die Demokratie-Bewegung in Hongkong, die mit Gewalt und drastischen Gerichtsurteilen niedergeknüppelt wird, der buddhistische Klerus oder die moslemische Bevölkerung Xinjiangs, die zu Millionen in sogenannte Umerziehungslager gesperrt wird, die den Konzentrationslagern der Nazis kaum nachstehen.
 
Es wird deutlich: Die Volksrepublik China macht unter Xi Jinping, der die Lehren des Konfuzius, den Marxismus und das Erbe Maos in einer interessanten staatspolitischen Melange zu seiner Philosophie verschmolzen hat, einen „Großen Sprung“, wie ihn Mao Zedong sich einst nicht erträumt hätte. Daß das System effektiv ist zeigen allein drei Beispiele: Das Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn-Netz funktioniert in dem Riesen-Land so gut, daß nahezu 99% der Züge auf die Minute pünktlich sind, während allerdings die Millionenstädte durch den rasant wachsenden und zu Stoßzeiten völlig zusammenbrechenden Autoverkehr unter tödlichen Smog-Wolken liegen. Funktionierende Krankenhäuser werden in wenigen Wochen aus dem Boden gestampft, für effektive Flughäfen braucht China gerade mal ein Jahr (denken Sie mal an BER), für Häfen zwei Jahre.
Der Preis dafür sind die totale Überwachung, das Fehlen jeglicher Demokratie oder Presse- bzw. Meinungsfreiheit, Enteignungen, die Unterdrückung jedweder Gegenbewegung oder –stimme. Obwohl China mittlerweile über die saubersten Kraftwerke der Welt verfügt, ist es durch seinen Anteil an der weltweiten Verschmutzung der Luft bei rund 29% noch immer neben den USA, Russland und Indien der größte Umweltsünder. In wieweit Xi den von Mao propagierten Hegemonieverzicht und den brüchigen Frieden mit Taiwan hält, wird abzuwarten sein.
 
»Es geht nicht um eine Parteinahme für oder gegen Xi Jinping. Wir wollen ihn - soweit möglich - darstellen, wie er ist. Dabei stützen wir uns auf seine Reden, die verfügbaren Quellen über seine Lebensgeschichte und seine Politik und auf unsere eigenen Interviews und Repor­tagen in und über China. Das Urteil über den zurzeit mächtigsten Mann der Welt sollten Sie sich selbst bilden« schreiben Stefan Aust und Adrian Geiges im Klappentext. Das ist ihnen brillant und sachlich hervorragend recherchiert, spannend aufbereitet und griffig zusammengefaßt gelungen. Ein besseres Bild, eine bessere Analyse Xi Jinpings ist sicher aktuell nicht zu bekommen. Das Buch mit seinen Informationen auf dem neuesten Stand kann vorbehaltlos empfohlen werden, wenn auch der vom Verlag angekündigte farbige Bildteil dieses brandaktuellen und hochinteressanten Porträts des chinesischen Staatschefs fehlt.
 
Stefan Aust, Adrian Geiges – „Xi Jinping - der mächtigste Mann der Welt“
© 2021 Piper Verlag, 288 Seiten, gebunden – ISBN 9783492070065
22,- €
 
Weitere Informationen: www.piper.de/buecher/