Das liebe Geld

Eine Annäherung in sieben Schritten (5)

von Johannes Vesper

Foto © Frank Becker
Das liebe Geld
 
Eine Annäherung in sieben Schritten (5)
 
von Johannes Vesper



Jenseits des Kapitalismus
 
Bereits 2013 erschien ein wissenschaftlicher Sammelband unter dem Titel „Stirbt der Kapitalismus?“. Das ökonomische System des Kapitalismus werde zusammenbrechen, u.a. weil Wachstum notwendig an Grenzen stoßen muß vor allem auch wegen zunehmender Ausbeutung der Natur und der Umwelt, hieß es da. Die „Grenzen des Wachstums“ wurden schon vom Club of Rome 1972 erkannt. 2016 war an der Bergischen Universität der Kapitalismus schon gestorben. In dem Symposium unter dem Titel: „Jenseits des Kapitalismus“ diskutierte man darüber, daß sich aus Wettbewerb, Wachstum und Gewinnmaximierung um jeden Preis nicht zwangsläufig ein Nutzen für alle ergeben muß.
Viele halten den Staat grundsätzliche für den schlechtesten der Unternehmer, aber auch der Kapitalismus benötigt den Staat, denn Rechtssicherheit, Bildung, Infrastruktur u.a. gelten ihm als Standortvorteil. Der Staat stellt diese Kollektivgüter zur Verfügung und rettet im Ernstfall dann auch noch Banken und Unternehmen, wie aktuell wegen Corona und wie zuvor schon nach Finanzkrisen (2008). Lufthansa wie Bundesbahn, vor Jahren privatisiert, benötigen jetzt Staatshilfe zum Überleben.
Durch Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer, gerechtfertigt mit Gewinnmaximierung, bemäntelt mit Begriffen wie „internationaler Arbeitsteilung“, und Zunahme von KI-gesteuerten Robotern werden weitere Arbeitsplätze hier verloren gehen. Staatsbürger sind nur noch von Bedeutung als Arbeitnehmer und Kostenfaktor bzw. als Konsumenten für den Markt. Arbeitsplatzverluste und Kapitalakkumulation destabilisieren die politischen Systeme, begünstigen populistisch-irrationale Politiker Die Volkssouveränität ist gemindert gegenüber multinationalen Konzernen, die unter Hinweis auf Abwanderung der Industrie nahezu alles durchsetzen. Bedingt durch zunehmende Verquickung von Lobby, Parlamenten und Regierungen werde eines Tages politische Macht von ökonomischen und politischen Eliten ohne Beteiligung des Volkssouveräns ausgeübt. China sei uns auch bei dieser Entwicklung voraus. Das alles führe zu einer existentiellen Legitimationskrise des neoliberalen Kapitalismus. liest man in diesem Symposiumsband, Über Probleme neokolonialer Aktivitäten des Westens wie Chinas werden im Zusammenhang mit der Impfstoffverteilung in der Welt aktuell diskutiert.
 
Aber zurück zum Geld. Seit der Abschaffung der Einlösegarantie von Papiergeld gegen Gold (Bretton Woods bis 1971) produzieren Zentralbanken Buchgeld und vergeben Kredite in kaum faßbarer Höhe, die allenfalls ein Finanzminister noch überschaut. Mit dieser „Geldschöpfung“ wird die Produktion von Gütern und Waren finanziert, die nach Verkauf auch zu einer realen Wertschöpfung, jedenfalls zu Wachstum und Steigerung des BIP führt. So hat sich die Geldmenge in den USA von 1980 bis 2014 versechsfacht. Der Verkauf der auf Kredit produzierten Güter führt aber zu einem gesamtwirtschaftlichen Überschuß nur dann, wenn ständig Geld durch den Verkauf neuer Waren zufließt. So entsteht eine Wachstumsspirale, ein Perpetuum mobile. Geldschöpfung und Wachstum gelten in den ökonomischen Wissenschaften als notwendige Voraussetzungen für eine florierende Wirtschaft. Diese faszinierende Idee ist natürlich nicht neu. 1613 saß Antonio Serra im Gefängnis von Neapel und entwarf dort die Grundlagen der modernen Wachstumstheorie (SZ 02.01.18). Als Merkantilist war er davon überzeugt, daß der Reichtum eines Landes in seinen Gold- und Silberschätzen bestünde, weswegen Spanien und Portugal zu jener Zeit beneidet wurden, die Schiffsladung über Schiffsladung Gold von Amerika nach Europa geschafft haben. Serra empfahl, das eigene Land durch Export reich zu machen. Bei jedem Handelsgeschäft stünde dem Gewinn des einen ein Verlust des anderen Handelspartners gegenüber.

Ökonomen sind vom System <<Geldschöpfung bringt Wachstum und Wohlstand>> überzeugt. Kapitalistische Marktwirtschaft, wie sie sich nach dem Zusammenbruch 1929 unter den Ideen von J.M. Keynes entwickelte, hat unbezweifelbar zu Wohlstand geführt, wobei aber schon in der 60-70er Jahren des 20. Jahrhunderts der strenge Kapitalismus korrigiert werden mußte und zumindest in Deutschland Korrekturen im Sinne der sozialen Marktwirtschaft erforderlich wurden. Was passiert auf Dauer überhaupt mit diesem Kapitalismus, wenn Kapitalgeber in der Nullzinsphase keine Gewinne mehr erwarten können, wenn der Raubbau der Natur nicht weiter toleriert werden kann und Europa 2050 klimaneutral sein will?
Kann Nachhaltigkeit durch Einbezug der privaten Haushalte in die Geldschöpfung und durch regionale Zuteilung gefördert und die Konsumentensouveränität gesteigert werden? Profitieren davon gemeinnützige Initiativen und der Umweltschutz? Kann eine Änderung des Aktienrechts mit Trennung von Namens- und Inhaberaktien sowie Stiftungen und Genossenschaften, bei denen Spekulation keine Rolle spielen, zu einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen?


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Redaktion: Frank Becker