Ein Weltreisender mit Film- und Fotokamera

Ernst A. Heiniger – „Good Morning, World!“

von Frank Becker

Ein Weltreisender
mit Film- und Fotokamera
 
Die erste Monographie
zu Ernst A. Heinigers Leben und Werk
 
Noch bis 10. Oktober 2021 zeigt die Fotostiftung Schweiz in Winterthur die Ausstellung „Good Mornig, World!“, mit der das Lebenswerk des Fotografen Ernst A. Heiniger präsentiert und damit sowie mit dem opulenten Katalog zur Ausstellung (im namhaften Foto-Verlag Scheidegger & Spiess) vor dem Vergessen bewahrt wird. 1909 in Engwang geborene, gelernte Positivretuscheur entwickelte sich autodidaktisch zum Fotografen, wobei er Impulse der Fotografie des sogenannten „Neuen Sehens“ (z.B. Aenne Biermann, Andreas Feininger, Eva Besnyö, Armin Haab, László Moholy-Nagy, Alexander Rodtschenko) aufnahm. Seine Fotografien zeugen von einem präzisen Blick auf Situationen, gesellschaftliche Umstände und Ereignisse. Die Window Views“ von
André Kertész waren ihm sicher Inspiration - das unten zu sehende Foto Bahnhofsplatz Zürich“ ist eine deutliche Hommage.
 
Ab 1933 betrieb der politisch linksorientierte Pazifist mit Henri Steiner in Zürich ein innovatives Atelier für Fotografie und Grafik, das Aufträge mit militärischem Charakter ablehnte. Er gestaltete kommerziell Plakate und publizierte mit «Puszta Pferde» 1936 eines der ersten modernen Fotobücher der Schweiz. Die Zusammenarbeit mit Steiner endete bereits 1939. Heiniger begann neben der Fotografie Filme zu drehen, so u.a. über das Telefonieren (eine Arbeit für Pro Telephon, für die und ihre Werbung er später auch weiterhin filmte und fotografierte), leistete während des 2. Weltkriegs 1939-1945 seinen Wehrdienst ab, setzte seine Filmarbeit (z.B. „Sul Bernina“) und die Arbeit an Fotobänden über heimische Themen (u.a. Tessin, Viertausender“) fort.
 
 
Ernst A. Heiniger - Bahnhofsplatz Zürich 1933 - © Fotostiftung Schweiz

War er vor 1939 schon viel gereist (u.a. Russland und Ungarn), nahm er nun die USA ins Visier und reiste bereits 1947 und 1948 in die Vereinigten Staaten. Der Durchbruch kam 1952 bei der Weltausstellung der Photographie in Luzern, wo er Walt Disney kennenlernte. Disney lud ihn ein, Dokumentarfilme zu drehen, die er im Vorprogramm zu den abendfüllenden Trickfilmen gezeigt wurden, darunter „Ama Girls“ (über japanische Perlentaucherinnen), „Switzerland“ und „Grand Canyon“ „Ama Girls“ und „Grand Canyon“ wurden 1959 als beste Kurzfilme mit Oscars ausgezeichnet. Zahlreiche Filmstills, Bildsequenzen und Arbeitsbilder lassen den künstlerischen Aufwand erkennen, den Heiniger für das perfekte Ergebnis einsetzte.


Ernst A. Heiniger -  Bjesprisorni 1932 - © Fotostiftung Schweiz

1952 erschien bei Transatlantic Editions in Vaduz der schmale, aber bis heute für Heinigers Fotoschaffen repräsentative broschierte Bildband „Masterpieces of Photography“, der auf 52 Seiten formatfüllende Beispiele seiner Landschafts-, Pflanzen-, Menschen-, Tier-, Akt-, Architektur- und Sach-Fotografie sowie aus der Arbeitswelt zeigte. Einige Seiten sind im vorliegenden Katalog beispielhaft wiedergegeben. Heiniger gestaltete weiterhin auch Plakate für die Fremdenverkehrswerbung, für Markenschuhe, den Automobil-Club der Schweiz u.a.m.
Seine autobiographischen Notizen belegen bis 1977 weltweite Reisen, Filmprojekte, Ausstellungen und Buchveröffentlichungen. 1993 starb Ernst A. Heiniger in Los Angeles.
Ernst A. Heinigers Archiv befindet sich seit 2014 in der Fotostiftung Schweiz und bildet die Basis für diese erste jetzt vorligende umfassende Monografie. Reich bebildert mit den wichtigsten Fotografien, Fotografiken, Buchgestaltungen und Filmstills, stellt das Buch Heinigers umfangreiches Schaffen in einer sorgfältig zusammengestellten, wenn auch zwangsläufig unvollständigen Auswahl vor.
 

Ernst A. Heiniger -  Seilschaft am Biancograt 1941  - © Fotostiftung Schweiz

Atemberaubend ist das oben zu sehende Bild einer Bergbesteigung, zugleich zeugt es vom feinen Gespür für genau den richtigen Moment und die Bildaufteilung. Fast wagt man nicht, die darüber zu sehende Aufnahme eine schlafenden Straßenjungen zu betrachten, zu intim und bedrückend ist dieses Fotodokument. Der folgende undatierte Akt hingegen zeugt von Ernst A. Heinigers Sinn für die Ästhetik des nackten weinlichen Körpers. Der Katalog öffnet dem Leser die ganze Welt Heinigers, zeigt aber auch, daß er trotz seiner Weltläufigkeit und seines Lebensmittelpunktes Los Angeles immer wieder auf die alte Heimat Schweiz schaute.
In den begleitenden Essays geht Patricia Banzer auf biografische Spurensuche, Katharina Rippstein untersucht Heinigers Landschaftsfotografie und Muriel Willi nimmt eine fotohistorische Einordnung seines Werks vor.
 

Ernst A. Heiniger - undatierter Akt - © Fotostiftung Schweiz

Ernst A. Heiniger – „Good Morning, World!“
Fotografien und Filme von Ernst A. Heiniger – Herausgegeben von Katharina Rippstein
Mit Beiträgen von Patricia Banzer, Katharina Rippstein, Peter Pfrunder und Muriel Willi
© 2021 Scheidegger & Spiess / Fotostiftung Schweiz, 256 Seiten, gebunden, 29 x 23 cm, ca. 80 farbige und 120 s/w-Abbildungen - ISBN: 9783039420063
48,- €
 
Weitere Informationen: www.scheidegger-spiess.ch  -  www.fotostiftung.ch