Juwelen, selten aufgeführt

Matthias Kirschnereit – „Hummel - Weber - Mendelssohn“

von Johannes Vesper

Juwelen, selten aufgeführt

Hummel - Weber - Mendelssohn
 
Genau vor 200 Jahren, also 1821, wurde sowohl das Klavierkonzert von Johann Nepomuk Hummel (1778-1837) publiziert als auch das Konzertstück von Carl Maria von Weber komponiert. Johann Nepomuk, als Knabe für 2 Jahre ein Schüler Mozarts, reiste schon als jugendlicher Klaviervirtuose durch halb Europa. 1804 wurde er als Nachfolger Joseph Haydns beim Fürsten Esterhazy engagiert. Er war mit Ludwig van Beethoven befreundet und soll ihn am Ende seines Lebens sogar finanziell unterstützt haben. Noch als Hofkapellmeister in Stuttgart und Weimar unternahm er ausgedehnte Konzertreisen nach Frankreich, Holland, Belgien, Polen, England und auch nach Russland und das in der Kutsche. Die Eisenbahn gab es noch nicht. Große Erfolge erzielte er mit seinen freien Improvisationen. Mit seinem leichten, romantischen Klavierstil in der Nachfolge von Mozart und dem jungen Beethoven wurde er zu einem Vorläufer Chopins oder auch Mendelssohns. Aber schon Robert Schumann sah voraus, daß sein Werk nicht sehr lange im „Munde der Mitwelt“ leben würde. Immerhin wurde aber 1999 in Weimar eine Hummel-Gesellschaft gegründet, dort, wo sich auch sein Grab befindet.
 
Sein Klavierkonzert Nr. 2 in a-Moll wird breit sinfonisch vom Orchester eingeleitet, bevor endlich das Klavier Matthias Kirschnereits munter, elegant, lebhaft und virtuos für eine Viertelstunde losperlt. Für Beethovensche Spröde, für romantische Elegie oder Emotionen wie bei Schubert findet sich kaum Zeit. Für den 2. Satz - langsamer Dreier in Mozartschen Pathos - mit klavieristisch nahezu barocken Verzierungen und Trillern benötigt der Komponist kaum 4 Minuten. Effektvolle Melodie-Sprünge aus der Tiefe in höchste Höhen finden sich später bei Chopin. Den musikalischen Höhepunkt bildet das Verdämmern des Satzes im Piano, woraus sich zögerlich das Rondo Allegro des letzten Satzes entwickelt und die ganze Virtuosität des Pianisten zu Geltung kommt. Subtil gibt das Orchester des Hessischen Rundfunks den Rahmen.
 
Carl Maria von Weber (1786-1826) stellte am Tage der Uraufführung des Freischützes (18. Juni 1821) sein Konzertstück in f-Moll op. 79 fertig, welches sein 3. Klavierkonzert hätte werden sollen. Im ersten Satz (Larghetto affettuoso) erwartungsvolles Piano und PP im Orchester bevor das Klavier mit träumerisch aufsteigendem, gebrochenem Akkord das nachdenkliche und ernste Thema beginnt. Unter rhapsodisch, flinken Figuren scheint im Allegro passionato eine bedeutende Geschichte erzählt zu werden und mit Zitaten aus Beethovens Klaviersonaten Fahrt aufzunehmen. Der 3. Satz (Adagio) läßt die Geheimnisse der Wolfsschlucht erahnen, schon bald aber gibt es Festmarsch und Volksfest und mit einem Presto giocoso, in dem die Läufe nur so rauf und runter rauschen, kommt diese „Klangrede“ zum Schluß. „Glück ohne Ende“ habe der Komponist dazu bemerkt. Ob diesem Konzertstück tatsächlich die Geschichte zugrunde liegt, die der Sohn des Komponisten 1864 erzählt? Es entstand in einem der glücklichsten Jahre seines kurzen Lebens, wozu der grandiose Erfolg des „Freischütz“ in Berlin beigetragen hat. Der Suizidversuch lag schon Jahre 15 Jahre zurück und seine Tuberkulose hatte sich zwar schon angekündigt (Hustenanfälle, Brustbeklemmungen), machte sich aber erst ab 1822 stärker mit Fieber, dann quälendem Husten und blutigem Auswurf bemerkbar. Das tragische Ende im Frühjahr 1826 in London, wo er seinen „Oberon“ (Auftragsarbeit von Covent Garden) etliche Male dirigieren würde, lag da noch in der Ferne.
 
Felix Mendelssohn- Bartholdy (1809-1847) kannte das Webersche Konzertstück und hat es sehr geschätzt. Wohl nach diesem Vorbild entstand sein Cappriccio brillant. Im einleitenden Andante beginnt das Klavier mit verhaltendem, freiem Solo quasi ein Lied ohne Worte, bevor sich das Orchester zart mit Pizzicato dazu gesellt. Dann beginnt das Allegro con fuoco mit schnellen Repetitionen feurig. Ob die extrem schnellen Tempi „Verzweiflung und innere Zerrissenheit definieren“, wie Karsten Blüthgen im Beiheft vermutet, sei dahingestellt. Temperament- wie schwungvoll, lebendig, immer beseelt und differenziert erklingen unter den Händen dieses Pianisten, einfühlsam begleitet vom Orchester des Hessischen Rundfunks unter Michael Sanderling, diese selten aufgeführten und wenig bekannten Juwelen der Frühromantik. Im Beiheft (Deutsch und Englisch) finden sich Informationen zu Komponisten und Werken. Außerdem wird der Pianist zitiert, der sich von der Frühromantik, vom Zeitgeist dieser in Vergessenheit geratenen Musik locken ließ.
 
Matthias Kirschnereit – „Hummel - Weber - Mendelssohn“
Matthias Kirschnereit (Klavier) - HR Sinfonieorchester Michael Sanderling (Dirigent)
© 2021 Hessischer Rundfunk/Berlin Classic/Edel Germany GmbH.
Stücke:
Johann Nepomuk Hummel (1778-1837): Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in a-Moll op. 85 1. Allegro moderato, 2, Larghetto, 3 Rondo. Allegro moderato
Carl Maria von Weber (1798-1826): Konzertstück in f-Moll op. 79: 4. Larghetto affetuoso-Allegro passionate 5. Adagio – Tempo die Marcia – Presto giocoso
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1810-1847) Capriccio brillant in h-Moll OP. 22 6. Andante, 7, Allegro con fuoco
Gesamtspieldauer: 60:02:15
 
Weitere Informationen:  www.berlin-classics-music.com