Begegnungen
Menschen und Orte
Im wesentlichen vom blauen Himmel begünstigt, machten sich Wolf Christian von Wedel Parlow und Partnerin U. an einem 31. Mai auf die Reise in den Nordosten Deutschlands, um von Rostock aus per Rad die seenreiche, landschaftlich berückende und historisch durchaus interessante mecklenburgische Region zwischen Ostseeküste und Berlin im reinsten Wortsinn zu er-fahren.
Man weiß gleich, welches die Vergangenheit der Gegenden ist, die unsere beiden tapferen Radler – sie mit E-Unterstützung, er bewußt darauf verzichtend – mit Muße durchfahren, liest man Namen wie Warnow, Güstrow (wo sie Ernst Barlachs „Engel“ mit dem Gesicht Käthe Kollwitz´ begegnen), Krakow, Karow, Gramzow, Zielow, Wipperow, Retzow, Blumenow usw. usw.. Sie machen Rast im Bücherhotel Groß Breesen von Conny Brock, besuchen in Boek das Gutshaus, in dem Gertrud von le Fort lange lebte und sich auf Friedrich Hölderlin berief, treffen allenthalben auf die historischen Spuren des Dreißgjährigen Krieges, die Folgen der fatalen 12 Jahre des sogenannten „Tausendjährigen Reichs“ und erfahren einiges über das kurze Leben der DDR. Mit philosophischer Ruhe ertragen sie allerlei ärgerliche Pannen, speisen bei netten Wirtinnen in Gasthäusern, die sie beim Namen nennen und beenden ihre 12-tägige Abenteuerreise, die auch und eben eine Reise in die (eigene) Vergangenheit war, mit einem Besuch bei Freunden in Berlin, das als einstige „Frontstadt“ die deutsche Trennung wohl am markantesten dokumentierte.
Die Kapitel der Radsattelgeschichten Wolf Christian von Wedel Parlows sind jede für sich kleine feuilletonistische Delikatessen der selten gewordenen Kunst der kleinen Form, des Leichten ohne seicht zu sein. In ihrer Gesamtheit sind sie der flotte und doch tiefsinnige, aber auch augenzwinkernde Bericht eines Flaneurs in Radlerhosen, der zu erzählen weiß und der da lächelt oder sanft ironisiert, wo es angemessen ist. Heiter und kundig läßt Wedel wie im Plauderton gleichermaßen unterhaltsam wie informativ an Begegnungen mit Menschen, Orten und historischen Ereignissen teilnehmen und wirft einen Blick auf Adelsgeschichte mit immer wieder leicht melancholischen autobiographischen Einsprengseln wie u.a. der Flucht der eigenen Familie 1945 gen Westen. Er vermittelt einfühlsam und so intensiv Stimmungen und Befindlichkeiten, daß man sie mitempfinden, fühlen, sehen, riechen, schmecken kann - und nie bekommt man das Gefühl belehrt worden zu sein. Das Buch gehört zu den erbaulichen Lektüren, die man nach dem Lesen nicht weit weg stellt, sondern zum wieder lesen in der Nähe behält. Dafür bekommen die sehr empfehlenswerten „Radsattelgeschichten“ unser Prädikat, den Musenkuß.
Wolf Christian von Wedel Parlow – „Radsattelgeschichten – Von Rostock nach Berlin“
© 2021 Mitteldeutscher Verlag, 160 Seiten, Broschur – ISBN: 978-3-96311-552-3
14,- €
Weitere Informationen: www.mitteldeutscherverlag.de
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