Und wieder einmal hat M. Night Shyamalan enttäuscht

„Old“ von M. Night Shyamalan

von Renate Wagner

Old
USA 2021

Drehbuch und Regie: M. Night Shyamalan
Mit: Vicky Krieps, Gael García Bernal, Rufus Sewell u.a.
 
Eine Familie, Vater, Mutter, Guy and Prisca, sechsjähriger Sohn Trent, elfjährige Tochter Maddox, fahren auf etwas zu, was man wohl „Traumurlaub“ nennt, im Bus unter Palmen auf das Luxushotel zu. Der Direktor des Hauses begrüßt sie persönlich und besonders herzlich, eine schöne junge Dame serviert exotische Drinks zum Willkommen…
Filme, die so beginnen, sind dazu verurteilt, ihre Personen in schreckliche Kalamitäten zu schicken, und wenn der Regisseur gar M. Night Shyamalan heißt? Vor 22 Jahren hat man ihn erstmals wahrgenommen, mit einem sensationell guten Film, der „The Sixth Sense“ hieß, eine selbst so hoch gelegte Latte, daß er sie nie wieder erreicht hat (bestenfalls ist er mit „Unbreakable“ nahe gekommen). Seither sieht man sich an, was er liefert, von einer Enttäuschung zur nächsten, immer in der Hoffnung, noch einmal diese wunderbare Verbindung von Realität und Para-Welt zu erleben wie damals, als der tote Bruce Willis ratlos durch die Welt der Lebenden ging und nur von einem kleinen Jungen gesehen werden konnte…

Shyamalan, an dessen besonderes Talent man stur glauben möchte, hat nach einer Menge glatter Enttäuschungen zuletzt ein paar Krimis mit lapidaren Titeln gedreht („Split“, „Glass“), immer auf der Kippe zwischen  Wahn und Wirklichkeit. „Old“, ähnlich lapidar, ist ähnlich – nur nicht besonders interessant, auch wenn die Urlaubsidylle in die erwartete Hölle mündet. Das liegt vielleicht an der Vorlage, denn das Thema, das er sich aus der Schweizer Graphic Novel „Sandburg“ von Pierre Oscar Lévy und Frederik Peeters entliehen hat, ist zweifellos zeichnerisch weit leichter und einsichtiger darzustellen als im Kino (abgesehen davon, daß die gezeichneten Bilder schauriger sind als alles, was sich die Kamera ausdenken kann).
Das Thema heißt „Altern“. Die Familie, die nicht ganz so harmonisch ist (die Eltern reden von Scheidung, von einer Krankheit der Frau) wird zu einem „Ausflugsplatz“ gebracht, Traumstrand, noch andere Touristen sind auch da, alles herrlich? Nein, denn da findet sich eine Leiche, so glatt und weiß wie eine Schaufensterpuppe, wenig später ein Skelett, und von da beginnt’s – nicht nur, daß alle geradezu rasend altern (Trent, der Junge, begegnet uns innerhalb kürzester Zeit als Sechs-, Elf- und Fünfzehnjähriger sowie als Erwachsener), man sieht nicht nur den Horror von Altern und zuckendem Sterben bei den diversen Personen, viele beginnen auch, ihre Mitmenschen zu bedrohen und zu ermorden – und immer wieder blicken unheimliche Gesichter zentral in die Kamera.
 
Ein Schlachtfest wird’s, das keine Logik braucht und das im Grunde keine sonderliche Spannung erzeugt, aber auch die möglicherweise philosophische Betrachtungsweise des menschlichen Alterns nicht festhalten kann. Das Alter als Horror ohne weitere Aussagekraft.
Am Ende gibt es dann sogar eine „Erklärung“ für das Ganze, die nicht verraten werden soll (nur so viel, daß hier nicht ein unerklärliches Schicksal gewaltet hat, sondern Menschen) – und schon kommen neue Gäste, werden mit Drinks begrüßt und sicherlich bald zum Ausflug auf den Strand geschickt, von dem sie nicht zurückkehren sollen.
Immerhin – zweien (einst Kinder, nun erwachsen) der vorigen Gruppe ist es mit einem kühnen Unterwasser-Tauchgang gelungen, aus der Totenwelt zu entkommen, aber aus dieser Rettung werden keine Konsequenzen gezogen. Und wieder einmal hat M. Night Shyamalan enttäuscht. Und wieder wird man erwartungsvoll seinem nächsten Film entgegen sehen…
 
 
Renate Wagner