Die Frauen schlagen zurück - Ein Gänsehaut-Film

„Promising Young Woman“ von Emerald Fennell

von Renate Wagner

Promising Young Woman
USA 2021 

Drehbuch und Regie: Emerald Fennell
Mit: Carey Mulligan, Bo Burnham u.a.
 
Die Frauen schlagen zurück. Nicht nur mit Anklagen in den Sozialen Medien und im Ausweiden der Opferrolle, sondern so, wie ihnen begegnet wird: mit Gewalt. Das ist die Voraussetzung für einen Film, den man als eine der bittersten, radikalsten Frauenattacken betrachten möchte, an die man sich erinnert, eine Rache-Geschichte, die über das Denkbare hinaus geht, die wirklich und wahrhaftig Gänsehaut erzeugt.
 
Dabei ist „Cassie“ in Gestalt der atemberaubenden, Borderline spazierenden Carey Mulligan so hübsch und blond, daß dem amerikanischen Durchschnittsmann das Wasser im Mund zusammenläuft – Spielzeug und Leckerbissen zugleich. Nein, #metoo ist in die Köpfe dieser Männer noch nicht vorgedrungen. Ein „Nein“ akzeptieren sie nicht – und Cassies Freundin Nina konnte mit ihrer Vergewaltigung nicht leben. Sie hat sich umgebracht.
Und seither ist Cassie keine „vielversprechende“ junge Frau mehr wie davor. Sie hat ihr Leben, ihre Persönlichkeit, ihre Ziele total geändert. Die Eltern, bei denen sie wohnt, schütteln den Kopf. Warum ist sie von der Med-School weg und arbeitet in einem Coffee-Shop? Was sie nachts treibt, wissen sie gar nicht. Sie geht in Bars in der festen Absicht, sich von Männern „anmachen“ zu lassen, betrunken zu stellen und abgeschleppt zu werden. Billige Beute?. Um dann, mitten drin im erotischen Spiel, „Schluß mit lustig“ zu verkünden. Da machen sich die anzüglichen Männer dann fast in die Hose, wenn sie merken, daß sie ernstlich in Gefahr sein können… Lacht man? Wer diesen Film als „amüsanten Rache-Thriller“ versteht, wie man im Internet lesen kann, der hat ihn gründlich mißverstanden.
Die Männer, auf die sie es tatsächlich abgesehen hat, finden sich im Mediziner-Milieu, wo sie und Nina einst studierten. Als sie Ryan (Bo Burnham) trifft, einen Mann, dem man Anstand und ehrliche Gefühle glauben möchte (man kann sich irren), stellt sich heraus, daß Cassie längst beziehungsunfähig ist, einzig getrieben von dem Rache-Furor, weil (damals noch nicht) niemand bereit ist, die Männer zur Rechenschaft zu ziehen. Klar ist – wenn sie will, daß etwas geschieht, muß sie es selbst tun.

Und das wird böse. Sie rächt sich an einer Freundin, die Nina nicht geglaubt hat, sie rächt sich am College-Dean, der sie mit ihrer Anklage hat eiskalt abfahren lassen (denn er repräsentiert das System, das solidarisch die Männer schützt und hochmütig über die Frauen hinwegtrampelt), aber sie verzeiht dem Anwalt, der Nina überredet hat, die Anklage fallen zu lassen, weil er weiß, daß er falsch gehandelt hat
Aber wirklich im Blick hat sie Ninas Vergewaltiger, zumal sie nun auf ein Video von Ninas Vergewaltigung gestoßen ist, das im Freundeskreis kursiert. Ist es lustig, daß sie zum Polterabend des Täters kommt, als Krankenschwester verkleidet, scheinbar die bereitwillige, zu allen Spielchen aufgelegte Stripperin, von der er sich gern mit Handschellen ans Bett fesseln läßt? Nein, es ist nicht lustig, auch nicht das, wozu Cassie bereit ist, um diesen Mann zu ruinieren.
Es wäre ein Spoiler übelster Art, hier weiter zu erzählen, obwohl man wirklich diskutieren möchte, was der Film da riskiert. Man kann sagen, daß die Autorin bis zum Letzten geht. Geschrieben von der britischen Schauspielerin  und Drehbuchautorin Emerald Fennell, die hier zum zweiten Mal Regie führt, ist das ein Film über blanke, bitterböse, rücksichtslose, kompromisslose weibliche Wut. Ein Gänsehaut-Film.
 
 
Renate Wagner