Der Film krankt daran, nichts wirklich zu erzählen

„Reminiscence“ von Lisa Joy

von Renate Wagner

Reminiscence: Die Erinnerung stirbt nie
USA 2021

Drehbuch und Regie: Lisa Joy
Mit: Hugh Jackman, Rebecca Ferguson, Thandiwe Newton u.a.
 
In diesem Film ist die Klimakatastrophe schon eingetroffen, halb Miami steht bereits unter Wasser, und irgendwann fällt die düstere Behauptung, das Wasser werde sich den Rest auch noch holen. Eine Dystopie, die aber in dem Film „Reminiscence“ bloß „atmosphärisch mitspielt, nicht als Tatsache, mit der man sich auseinander setzt. Man weiß nur – man ist irgendwann in der Zukunft, in einer Zeit, wo es gelungen ist, in das menschliche Gehirn einzudringen und dessen Bilder quasi in 3 D hervorzuholen.
Und das ist der Job von Nick Bannister (Hugh Jackman), dessen Stimme andauernd tremolierend aus dem Off kommt, um uns tiefe Weisheiten zu verkünden: „Die Zeit ist keine Einbahnstraße, man kann sie auch zurückgehen.“ „Auf einer Reise in die Vergangenheit kann man Geister finden.“ „Nichts macht so süchtig wie die Vergangenheit.“ „Wenn man sich Erinnerungen nicht stellt, fressen sie einen auf“ – man sieht, Lisa Joy, bisher vor allem Drehbuchautorin, nun auch erstmals auf dem Regiesessel, gibt sich mit banalen Lebensweisheiten zufrieden.
Nick, tatkräftig unterstützt von seiner in ihn verliebten Assistentin Watts (Thandiwe Newton, treu bis in den Tod), setzt seinen „Kunden“ recht altmodisch wirkendes Gerät auf den Kopf und legt sie in den „Tank“, eine überdimensionierte Badewanne. Was er dann macht, wirkt wie Hypnose, die Kunden wandern in ihre Vergangenheit, Bilder erscheinen. Dabei sind die Probleme der Leute, die zu ihm kommen, nicht immer so banal wie jenes von Mae (Rebecca Ferguson): Sie hat vergessen, wo sie ihren Haustorschlüssel hingelegt hat, und will schnell in die Erinnerung schlüpfen, um ihn wieder zu finden.
Wie das halt so geschieht, wenn ein Mann sich auf Anhieb in eine Frau verliebt: Nick folgt ihr in die Bar, wo sie singt und hinter der Theke arbeitet, die beiden landen in absolut gegenseitigem Einverständnis im Bett. Liebe? Wohl nicht so ganz, denn Mae verschwindet. Sie wieder zu finden, wird Nicks Besessenheit (Warum ist sie weg? Wohin ist sie gegangen? Welche geheimnisvollen Mächte stecken dahinter?). Dafür steigt er selbst in den Tank… und ja, los geht’s mit der vollen Science-Fiction.
 
Tatsache ist, daß die Autorin / Regisseurin wohl den Reiz ihres Filmes darin sah, den Zuschauer meist im Ungewissen zu lassen – was ist Realität, was ist Vergangenheit, die Ebenen kippen, hat man es gar mit Wunschvorstellungen zu tun? Aussagen widersprechen einander, es kommt auf der Suche nach Mae, die Nick in die Südstaaten führt, zu eigentlich nicht wirklich sinnvoll verankerten Action-Szenen (auch Unterwasser, dem Hauptdarsteller wird viel Körperlichkeit abverlangt), und Tatsache ist: Die femme fatale ist verschwunden, und selbstverständlich sollen Struktur und Bezüge des Films an die Film Noir-Welt der vierziger Jahre erinnern. Unnötig zu sagen, daß man diesem Vorbild nicht in die Nähe kommt.
Eines steht fest: Lange Zeit weiß man in dem Film nicht, was los ist, was warum jetzt geschieht, aber die Spannung, die sich aus solcher Konstellation durchaus ergeben könnte, bleibt aus. Sicher, man sieht einem Schauspieler wie Hugh Jackman (der Mann war Wolverine!) immer gerne zu, und Rebecca Ferguson als die rätselhafte und Thandiwe Newton als die normale Frau sind (durchschnittlich) gute Besetzungen, aber der Film selbst krankt daran, nichts wirklich zu erzählen.
Und daß am Ende eine triefende Kitschorgie glückliche Erinnerungen zaubert… das macht die Sache eigentlich nur schlechter. Da scheitert eine gute Besetzung an einem Drehbuch, das viel will und wenig erreicht. Nur Weisheiten gibt es in Fülle, am Ende heißt es, daß wir ohne die Traurigkeit des Verlusts die Süße des Gewesenen nicht schmecken können. Mag ja stimmen. Hätte man erzählen müssen.
 
 
Renate Wagner