Die Bücher sind allemale spannender als dieser Film

„The Virtuoso“ von Nick Stagliano

von Renate Wagner

The Virtuoso
USA 2021

Regie: Nick Stagliano
Mit: Anson Mount, Abbie Cornish, Anthony Hopkins u.a.
 
Wenn man ein Leser von Krimis über Auftragskiller ist (Barry Eisler erfand „John Rain“, Tom Wood erfand „Victor“, jeweils keine hohe Lektüre, aber eine hoch spannende), dann kann einem der Film „Virtuoso“ nichts Neues erzählen. Obwohl zu Beginn Geigenmusik erklingt, ist der Virtuose des Titels kein Teufelsgeiger, wie durchaus zu erwarten wäre, sondern besagter Auftragskiller, dessen Stimme aus dem Off kommt und der uns alles erzählt, was man über diesen Job wissen muß. Zum Beispiel, daß man ein Schatten sein muß, der keine Spur hinterläßt. Dass man Zeit zum Planen braucht, wenn es wie ein Unfall aussehen soll. Und noch ein paar Kleinigkeiten.

Aber irgendwo muß ja der hoch bezahlte, schwierige Auftrag her kommen, jemand Wichtigen umzulegen, und da tritt der Mentor auf. Vielmehr Anthony Hopkins, der einzige erstklassige Name in einem eher zweitklassig besetzten Thriller, der wenige Überraschungen bietet. Als Auftraggeber, der seinen Killer (eher farblos: Anson Mount) auf dem Friedhof trifft und diesen in einem langen Monolog wieder einmal motivieren muß, weil zuvor etwas schief gelaufen ist. Also stellt man das Morden gewissermaßen als nichts Besonderes hin, im Krieg (offenbar war der „Mentor“ mit Virtuosos Vater gemeinsam in Vietnam) hat man es ja auch getan… Die Menschenverachtung kommt Hopkins mit schauriger Selbstverständlichkeit von seinen Lippen. Dennoch fällt auf, daß der Text so schwach ist, daß auch ein Hopkins, der für fast alles, was er spielt, einen „Oscar“ verdient, nicht wirklich überzeugend wirkt. Wenn man nur wegen ihm in diesen Film gegangen ist – es zahlt sich dieser einen Szene wegen fast nicht aus.
Dann beginnt die Geschichte, aber es wird kein temporeicher Thriller daraus, sondern eine eher langsame Sache, die auf ein Psychoduell zweier Persönlichkeiten hinaus läuft. Denn der Killer, dessen Namen man nicht einmal erfährt, ist in einen seltsamen Auftrag hineingezwungen worden (kein Mensch mit Verstand hätte sich darauf eingelassen). Er weiß nicht einmal, wer sein Opfer ist, in einem abgelegenen Lokal wird alles klar sein. Oder?

Da sitzen ein paar verdächtige Leute herum, die er beäugt und verdächtigt, ohne sich entscheiden zu können, und da ist eine Kellnerin, die wohlwollende Blicke auf ihn wirft. Abbie Cornish strahlt zu Beginn genau die geforderte Durchschnittlichkeit aus, die man in diesem Milieu erwartet, wird aber nach und nach geheimnisvoller.
Der Killer weiß natürlich, daß er sich während eines Jobs auf gar nichts einlassen darf, und wenn er sich dann doch verführen läßt, schrillt der Alarm, daß die Kellnerin vielleicht von der Gegenseite auf ihn angesetzt worden ist? Oder ist sie so unschuldig und ahnungslos, wie sie sich erschrocken und ratlos gibt, als er fragt: „Wer hat Dich geschickt?“
Kurz, der Film wird zur seltsam diffusen Liebesgeschichte, bis zu einer Schlußpointe, die der erfahrene Leser von Auftragsmörder-Krimis längst erraten hat. Nur – die Bücher sind allemale spannender als dieser Film von Nick Stagliano, der mit etwas besserer Struktur des Drehbuchs und griffigeren Darstellern vom Thema her weit mehr Potential gehabt hätte.
 
 
Renate Wagner