Baby, it‘s showtime!

Aus dem Tagebuch

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Auf, auf zur Bundestagswahl

(Baby, it‘s showtime!)
 
25.8.21
Nur mal so am Rande -
Im Westen nix Neues
ntv berichtet:
„Aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, braucht Deutschland rund 400.000 Zuwanderer pro Jahr - und damit deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. ‚Aber mir geht es hier nicht um Asyl, sondern um gezielte Zuwan­derung für die Lücken am Arbeitsmarkt‘, sagte Scheele der ‚Süd­deutschen Zeitung‘.
‚Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akade­mikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen‘, so Scheele. Zu möglichen Widerständen gegen Migration sagte er: ‚Man kann sich hinstellen und sagen: Wir möchten keine Ausländer. Aber das funk­tioniert nicht.‘ Fakt sei, Deutschland gingen die Arbeitskräfte aus."
Oder mit etwas anderen Worten:
Die einen sagen: „Wir brauchen die Facharbeiter (hicks) Innen aus dem Ausland. Auf deren Länder aber scheißen wir.“
Die andern sagen: „Wir mögen keine Ausländer. Und wir scheißen auf beide. Auf den Ausländer und sein Ausland.“
Und das Interessante an dieser Meldung ist: Das ist ja nix Neues. Das ist ein uralter Hut:
Das sind die berühmten zwei Seiten derselben dreckigen Medaille.
 
26.8.21
Auf, auf zur Bundestagswahl -
heute: Bundestagswahlkampfzwischenbilanz
Arminius Lalaschet hat's geschafft, den bisherigen, nur historisch noch zu nennenden Beliebtheitstiefpunkt zu erreichen! Es wird für ihn selbst theoretisch sehr schwierig werden, noch tiefer zu sinken. Wenn wir davon ausgehen – und davon muß man ausgehen – daß von Söders sämtlichen Solidaritätsbekundungen für seinen Partei­freund Lalaschet in Wahrheit immer exakt das Gegenteil zutrifft und der arme CDU-Wicht dem öffentlichen Eindruck nach am Ende dann in toto weich­gekocht und für den finalen Abtransport bereit sein dürfte, er dann jedoch gegen alle Erfahrung, Vernunft und bekannten Rechenarten aus heite­rem Himmel doch bis zum bittren Ende - und da haben wir ja ge­nug Beispiele in der Geschichte - stur und unverdrossen weiterömmelt und weitertrömmelt, ja, dann, meine Damen und Herren, dann wissen wir wieder, wozu so n ein­geborener Aachener Lappen­clown wider allen tierischen Ernst fähig und in der Lage ist.
Oder so ähnlich.
(Mir macht das jedenfalls Angst.)
 
28.8.21
Ehrlich isser ja
US-Präsident Joe Biden hat nach dem tödlichen Anschlag in der Nähe des Flughafens von Kabul den dafür verantwortlichen Ter­roristen mit Vergeltung gedroht:
„Wir werden Euch jagen und ihr werdet dafür bezahlen.“
Irre. Die können einfach nicht anders. Die müssen auch da noch ‘n Geschäft draus machen.
 
29.8.21
Tatort RTL bzw. Wortort RTL
Wir schreiben das Jahr 2021, es ist Sonntag, der 29. August, Punkt 20 Uhr. Der Countdown läuft, in wenigen Minuten erleben Sie hier im Universum „Hier bin ich zuhause“ eine Deutschland-Premiere ohne­gleichen: das erste deutsche TV-Triell! Ja ja, Sie haben ganz richtig gelesen, das erste TV-Triell! Und zwar bei RTL.
Da sind se aber platt, wa? Und wenn se nich wissen, wat n Triell is … n Triell is n Duell mit eine Person mehr. Also mit dreien, capiski? In diesem Fall aber nur sog. TV-Triell, allerdings ein RTL-TV-Triell und allerdings erstmalig, ganzganz neu und sehr speziell: ein Bun­deskanzler­(hicks)­inkandidat(hicks)in-Triell. Als da sein werden: (i.alphab.R) Baerbock, Laschet und Scholz. Alle Presse-, Print- und Funken-Unken quaken jetzt unisono, als ginge es um was: Gucken! Wich­tigwichtig, Das wird spannend! Das wird die Welt verändern!
Ich aber werde, allein um nicht vollends zu verblöden, irgendwas anderes machen. Irgend...was...anderes. Und wenn mir gar nichts anderes einfällt oder übrig bleibt, guck ich, und wenn es der dööfs­te, langweiligste, witzverschissenste aller Zeiten sein sollte, halt den Tatort.
 
30.8.21
Baby, it‘s showtime!
Nie war so viel „mea culpa“.
Aus allen Ecken, Enden und Kanälen dröhnen sie uns bescheiden, wie das nun mal so ihre Art ist, mit ihrem „mea culpa“ die Ohren voll. Böse Zungen sprechen gar von Lustgeschrei. Im Felde unbe­siegt wie auch immer, und trotzdem volle Molle gegen de Wand gebrettert, mit dunkelroter Schamesrübe, zähneknirschend und gebückt, niedergeschlagen, gedemütigt und völlig feddich mit der Welt, die Hinterläufe unter die Arme gekrallt machten se sich ratzfatz vom Acker, ab in den Flieger und dann im Sauseschritt nach Hause in die Heimat – zur neuen Beichte, zur großen, neuerdings sehr beliebten Selbstanklage mit kleinem Hintertürchen:
„Wir – aber nicht nur wir - wir alle hier im Westen haben die Lage falsch …“ ja bitte? … „völlig falsch eingeschätzt!“
Und schon gestern stand der Beichtstuhl von RTL parat für die Große Einigkeit im Triell! Und einig war man vor allem auch in der Konsequenz. Dpa schreibt:
„Nach dem Desaster beim Abzug der Nato aus Afghanistan (gemeint sind damit ebenso die 20 Jahre davor) forderten alle überein­stim­mend eine Stärkung der sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands. (…) Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen.“
Und zwischen dem Bekenntnis, auf ganzer Linie militärisch wie auch in allen sonstigen Bereichen da unten am Arsch der Welt in Gänze gescheitert zu sein, und dem gemeinsam bekundeten Willen, auf demselben Trip in Zukunft weiterzumarschieren - dazwischen lag nicht einmal ein winziger Augenblick, ein kurzer Moment, um mal Luft zu holen … für den nächsten Krieg.
Und gemerkt hat‘s auch keiner.
Mit Sicherheit aber der eine oder die andere Afghane.(hicks) in
 
1.9.21
Ach, wärst du Dussel doch in Dusseldorf geblieben ...
‚Die Zeit‘ weiß bescheid und schreibt:
„Unionskanzlerkandidat Arnim Laschet will seinen einstigen Kon­trahenten Friedrich Merz (CDU) mit in seine Mannschaft nehmen und ihm eine Schlüsselposition geben. Der CDU-Wirtschaftspolitiker werde künftig eine entscheidende Rolle bekommen, sagte Laschet bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrats der CDU:
"Er ist das wirtschafts- und finanzpolitische Gesicht, der auch die Bundespolitik prägen wird nach der Bundestagswahl."
Im Großen und Ganzen alles richtig berichtet, werte ‚Zeit‘. Nur 1 Wort ist leider falsch. Das Gesicht. Es müßte also heißen:
„Er ist die wirtschafts- und finanzpolitische Visage, die auch die Bundespolitik prägen wird ...“
 
2.9.21
Auf, auf zur Bundestagswahl
Der grüne Landesfinanzminister Danyal Bayaz von Baden-Würt­temberg ist – wie manche sagen – wohl ein bißchen aus der Art geschlagen, oder – wie wiederum andere sagen – ja noch deutscher als deutsch. Der Herr Finanzminister hat jedenfalls zur Ermittlung von Steuerbe­trügern eine Online-Meldeplattform eingerichtet, auf der der kleine Ottonormalbetrüger nicht nur den andern kleinen Ottonormalbetrüger anonym beim zuständigen Finanzamt, äh, wie sagt man … ja, anmelden kann, sondern auch die ganz, ganz großen Ottonormallumpen.
Jetzt könnte man natürlich mit Hoffmann von Fallersleben sagen: „Der größte Lump im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant.“ Aber das nützt ja nichts. Denn das ist 170 Jahre her – und was ist nicht alles in der Zwischenzeit passiert? Wie gesagt, es nützt ja nix.
Nu is aber Folgendes passiert:
In der lustig-lockeren Wahlarena von ‚Pro7‘ hat Annalena Baerbock gestern in ihrer lustig-lockeren Kanzler­kandidatinnenart verlaut­bart, daß sie genau so ein Portal dann bundes­weit gegebenenfalls sofort einführen usw.
Ich weiß jetzt nichts, was nützen würde, wenn ich‘s sagte, aber ich weiß jetzt, was nützen würde, wenn ich's täte. (Bzw. oder eben auch nicht.) Und mit mir all diejenigen, denen der tote Hoffmann v. Fallersleben etwas näher liegt als diese neue, pardon, Blockwart-Bewegung.
So, ich denke, das war's dann wohl.
 
 
Wolfgang Nitschke

Redaktion: Frank Becker