Ilha formosa (Die schöne Insel)

Stephan Thome – „Gebrauchsanweisung für Taiwan“

von Frank Becker

Ilha formosa
(Die schöne Insel)
 
Taiwan für Liebhaber
 
Mit einer Fläche von 36.000 qkm ist der Inselstaat Taiwan, 160 km vor der südchinesischen Küste gelegen, in etwa so groß wie das Bundesland Baden-Württemberg, hat aber mit einer Bevölkerung von fast 23 Millionen mehr als doppelt so viele Einwohner. Da sich die überwiegende Zahl aber in den Ballungszentren der großen Städte Taipeh (2,64 Mio.), Kaohsiung (1,5 Mio.), Taichung (1,1 Mio.), Tainan (750 Tsd.), Keelung (390 Tsd.), Taitung (117 Tsd.) und Hualien (110 Tsd.) konzentriert, hat das topographisch und klimatisch abwechslungsreiche Land neben den urbanen Zentren weite Landstriche mit nahezu unberührter Natur, die erholungssuchenden Reisenden mit der Schönheit von Regenwäldern, schroffen Bergen, malerischen Seen, vorgelagerten Inseln im Westen, zerklüfteten Küsten im Norden und Osten, Badestrand im Süden, Tiefebenen, Canyons und subtropischem Klima eine Vielfalt von Möglichkeiten zum Kennenlernen neuer Welten und zur Entspannung bieten.
 
Taiwan oder auch Formosa, wie es lange mit der Bezeichnung portugiesischer Seefahrer genannt wurde (Ilha formosa = die schöne Insel), hat eine wechselvolle Geschichte. Durch malayo-polynesische Besiedlung, als Teil des kaiserlichen China der Ming und Qing, holländische Besetzung, japanische Annexion, Neuordnung nach dem 2. Weltkrieg und Ablösung vom chinesischen Festland, dem „Mainland China“, wie die Taiwaner es selber nennen, haben viele Einflüsse auf Kultur und Menschen eingewirkt und ihre farbigen, lebendigen Spuren hinterlassen. Vielleicht ist es das Wechselvolle, das aus den Chinesen Taiwans das freundliche, weltoffene Volk geformt hat, als das man es heute im ganzen Land erlebt. Die Begegnung mit Taiwan und seinen Menschen überrascht den Reisenden angenehm und nimmt ihm bei aller Exotik das Gefühl „fremd“ zu sein.
 
Taiwan ist eine mit enormen Investitionen und großem Export-Überschuß rasant aufstrebende Wirtschaftsmacht. Man hat nach Jahren der relativen Isolation zu sich gefunden und mit der Demokratisierung nach 1987 neue Wege beschritten. 1972 war Taiwan, die damalige Republik China, zugunsten der Volksrepublik China aus der UNO ausgeschlossen worden, ein einmaliger und unrühmlicher Vorgang, und 1979 brach der einstige Partner USA wie auch andere westliche Staaten die diplomatischen Beziehungen ab, um für neue Beziehungen mit der Volksrepublik auf dem Festland frei zu sein. Diesen tiefen Sturz hat Taiwan überwunden. Man ist in der Technologie weiter voran als andere asiatische Staaten, hat nach Jahrzehnten eher diktatorischer Verhältnisse eine funktionierende Demokratie und eine florierende Wirtschaft, verbunden mit solidem Bewußtsein für die Geschichte auf dem Boden all-chinesischer Kunst, Kultur und Philosophie.
 
Man betet zu vielen Göttern in Taiwan, dessen etwa 23 Millionen Einwohner zu über 90 % Buddhisten, Taoisten und Konfuzianer sind. Man ist äußerst liberal, läßt alle Religionen nebeneinander gelten, ja sogar, wie z.B. im weltoffenen Longshan Tempel im Herzen Taipehs, unter einem Dach ihr Gebet verrichten. Hier vereinigt Religion die Menschen. Eine der wichtigen traditionellen Gottheiten ist Mazu, die Göttin der Meerenge zwischen dem chinesischen Festland und der Insel Taiwan. Ihr Einfluß ist noch heute groß, denn trotz aller westlichen Aufgeklärtheit des modernen Staates und der dynamischen technischen und wirtschaftlichen Entwicklung im Lande verläßt man sich gerne auf die hergebrachten Werte.
„Reist frohgemut, es erwartet Euch ein freundliches Land mit liebenswerten Menschen. Eßt,  was die Küche Taiwans hergibt – die Vielfalt der traditionellen regionalen chinesischen Küchen, auch in der Nudel- oder Dim-Sum-Küche an der Straßenecke, des Einflusses aus der niederländischen, portugiesischen, spanischen und japanischen Besatzungszeit nach ersten chinesischen Expeditionen (manchmal lassen ja Besatzer sogar etwas Gutes zurück) und die Beherrschung auch westlicher Kochtechniken macht eine Taiwan-Reise auch zu einer kulinarischen Wallfahrt. Viel vom täglichen Leben der Taiwaner (Arbeit, Handel, Essen) spielt sich auf der Straße ab, wie das eben in südlichen Ländern auch in Europa üblich ist. Nicht vorbeigehen, auch mal stehen bleiben und Kontakt aufnehmen, das Gespräch suchen – und sei es nur die Zeichensprache. Man ist willkommen. Der Reisende, der im August/September vom gemäßigten Klima Mitteleuropas aus seinen Weg zur „Ilha formosa“ der wunderschönen Insel im Chinesischen Meer antritt, ist gut beraten, so viele Hemden mitzunehmen, daß er wenigstens zweimal täglich wechseln kann. Und er sollte stets viel Wasser trinken. Denn es ist heiß zu dieser Zeit, sehr heiß – und mit einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 100% (wenn ein Monsunschauer niedergeht, glaubt man sogar 200 % zu registrieren) schweißtreibend schwül. Doch trotz aller Hitze und brennender Sonne – auch eine Kopfbedeckung und ein Sunblocker sollten im Reisegepäck sein – lohnt sich die Wahl der Saison, denn man kann – wie beschrieben – eine Menge sehen und erleben.
 
Taiwan ist ein wunderschönes Land mit weit mehr Möglichkeiten und Zielen, als hier in einem kleinen Ausschnitt angeboten. Westliche Freiheit kombiniert sich ideal mit östlicher Kultur und Geschichte. Die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen, die Küche ist köstlich - mit Spezialitäten, die man in keinem China-Restaurant in Europa findet. Man ist als Gast willkommen, braucht nicht um seine Sicherheit zu fürchten und findet sich dank der Zweisprachigkeit gut zurecht.
Die Reise ist weit, aber sie lohnt in jeder Hinsicht den Aufwand. „Dsai djiän“ und „Xie xie“ Taiwan!
 
Der Sinologe Stephan Thome hat all das, was ich oben auf meinen eigenen Taiwan-Reisen notiert habe, und noch viel mehr zur Geschichte, zur Kultur und Kulinarik, zur Geographie, zum Alltag und Religion zur Etnologie und den Menschen Taiwans in seiner brillanten „Gebrauchsanweisung für Taiwan“ mit leichter Feder und auf neuestem Informationsstand fesselnd beschrieben. Dieses wunderbare Buch des ausgewiesenen Taiwan-Kenners (er lebt dort) ist ebenso unterhaltend wie informativ, ein Lesevergnügen und jedem zur Vorbereitung zu empfehlen, der eine Reise auf diese herrlichen Inselstaat plant. Wer schlau ist, nimmt das flexibel gebundene Buch im Taschenformat mit ins Flugzeug, es wird die anstrengenden 14 Stunden Hinflug aufs angenehmste verkürzen. Für den zwei Stunden längeren Rückflug empfehle ich einen Krimi von James Lee Burke.
 
Stephan Thome – „Gebrauchsanweisung für Taiwan“
© 2021 Piper Verlag, 223 Seiten, Klappenbroschur mit einer Karte und einem Plan von Taipei - ISBN: 978-3-492-27745-7
15,- €
 
Weitere Informationen: www.piper.de