Die Deutsche Streicherphilharmonie unter Marek Janowski

Ein gefeiertes Gastspiel in Wuppertal

von Johannes Vesper

Probenfoto © Ingo Klatt

Die Deutsche Streicherphilharmonie
unter Marek Janowski

Gastspiel in der Historischen Stadthalle Wuppertal
 
Von Johannes Vesper
 
Die Deutsche Streicherphilharmonie, das Spitzenorchester des Verbandes Deutscher Musikschulen, kam zum ersten Mal in den Großen Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal und zwar unter der Leitung von Marek Janowski, dem Chef der Dresdener Philharmoniker. Der Saal war bei geöffneten Emporen unter Corona-Verhältnissen sehr gut besucht und die die jungen Musikerinnen und Musiker mit blauer Gürtelschärpe und blauen Krawatten wurden mit starkem Applaus begrüßt. Roswitha Dasch, Präsidentin des Hilfswerks vom Lions Clubs Wuppertal-Corona, wies darauf hin, daß der Name ihres Lions Clubs mit der Pandemie überhaupt nichts zu tun hat und erläutert das Benefizprojekt des Abends. Der Erlös wird der Kulturloge Wuppertal zu Gute kommen. „Kultur muß für alle da sein!“ Unter diesem Leitsatz fördert die Kulturloge den Besuch von Konzerten, Theater oder Kino von Menschen, die sich ohne Unterstützung solche Besuch nicht leisten könnten. „Genießen wir die Musik“ wünschte sie zuletzt. Tatsächlich, die Pandemie hat uns gelehrt, daß Selbstverständlichkeiten nicht unter allen Umständen und unbedingt selbstverständlich sind.
 
Dann schritt der würdige Marek Janowski durch das junge Orchester zum Dirigentenpult. Als Orchesterchef hatte er die Orchester in Köln, Berlin, Genf, Paris u .a. geprägt, hat an den großen Opernhäusern auch bei den Bayreuther Festspielen dirigiert und ,,als Dirigent und Orchesterchef das europäische Musikleben maßgeblich mit geprägt.“ Er war zuletzt im Februar 2019 anläßlich seines 80. Geburtstages an gleichem Ort mit dem WDR Sinfonieorchester zu erleben, ist er doch in Wuppertal aufgewachsen. Als Dirigent steht der der Deutschen Streicherphilharmonie immer wieder zur Verfügung. Unter seinem sparsamen Dirigat entwickelt sich jenseits aller auffälligen Gestik ein intensiver Kontakt zu den Musikern, die sich mit Hingabe des Lento assai, cantante tranquillo, des langsamen Satz aus Beethovens Streichquartett Op. 135 der Anweisung des Komponisten entsprechend - genügend langsam und ruhig singend - annahmen. Dem Satz ist die Konfliktsituation Beethovens unter der Komposition nicht anzumerken, der damals den Suzidversuch mittels Kopfschuß seines Neffen zu verkraften hatte.
 

Probenfoto © Ingo Klatt

Nach diesem letzten Streichquartett Beethovens gab es die Uraufführung des zeitgenössischen Komponisten Jacek Domagala, nämlich Variationen über ein Thema aus dem 1. Satz des Streichquartetts op. 130 von Ludwig van Beethoven. Bei diesem Werk korrespondiert der meist ruhige Klavierpart, der sich eher als Orchesterinstrument in den Gesamtklang einfügt, gelegentlich durchaus spannend mit dem unruhigen, durch Glissandi der Baßgruppe lebhaften Streichorchester. Mit Lorenzo Soulés, der seit 2011 beim Klavierfestival Ruhr spielt, hatte man dafür einen überaus kompetenten Pianisten gewonnen. Trotzdem bleibt, wenn das Orchester bei geringer Bewegung auf dem Klavier orgelpunktartig innehält, ein eher statischer Eindruck des Werks, welches mit veratmendem Diminuendo der Violinen endet. Starker Applaus für Werk und Komponisten, dem auf die Bühne eine Sonnenblume überreicht wurde.
 

Probenfoto © Ingo Klatt

Sodann vor der Pause das Konzert Nr. 1 für Marimbaphon und Streichorchester des brasilianischen Komponisten und Schlagzeugers Ney Rosauro (* 1952). Der Solist, Alexej Gerassimez, 1987 in Essen geboren, multipler Preisträger verschiedener Wettbewerbe, kam von Temperament und Energie sprühend auf die Bühne gestürmt, ordnete kurz seine zahlreichen Schlegel und legte los. Immer mit mindesten 2 Schlegeln in jeder Hand klopfte und streichelte er sein großes Marimbaphon, tänzelte über die ganze Länge seines Instruments, produzierte virtuose chromatische Tonfolgen rauf und runter, während das Orchester mit Flageolett der Violinen oder auch ohne in herrlich rhythmisch komplizierten Melodien elegant und ohne jede Schwere schwelgte. Marek Janowski ordnete diesen musikalischen Wirbelsturm brasilianischen Temperaments souverän. Faszinierende Tempoübergänge und differenzierteste Dynamik beglückten das Publikum und bei der anspruchsvollen Kadenz zeigte der Solist brillant die ganze Bandbreite seines Instruments. Am Schluß war das Publikum außer sich und mußte nicht lange auf die Zugabe warten. Die hatte Gerassimez selbst komponiert. Zart lebendig, drängend virtuos sang er sich mit seinem Marimbaphon in die Herzen der Zuhörer und entließ sie beglückt in die Pause.  
 

Probenfoto © Ingo Klatt

Die zweite Hälfte des Konzerts war der wunderbaren Streicherserenade in E-Dur op. 22 von Antonín Dvorak gewidmet. Böhmische Musikalität, Temperament, Innigkeit und Leidenschaft vereinigen sich hier zu einem orchestralen Höhepunkt der Spätromantik. Im lebhaften Scherzo mag dem Komponisten seine kleine Tochter durch den Sinn gegangen sein. Ausgelassene Tänze wechseln mit melancholischem Larghetto, bevor im Finale musikalisch noch einmal die gesamte Thematik zusammengefasst wird. Blitzsauber und mit zupackender Verve bot das Orchester dieses spätromantische Kleinod dem beglückten Publikum, welches lange lebhaft applaudierte, und als Zugabe den 1. Satz aus der Holberg-Suite von Edvard Grieg erhielt.
 
Mit diesem wunderbaren Konzert des jungen Orchesters unter seinem inspirierenden Dirigenten wurde, das wird hier ausdrücklich festgehalten, dem Appell zum Musikgenuß (s.o.) voll entsprochen,  und man hofft, daß die Kulturloge möglichst vielen Menschen solche Genüsse ermöglichen kann - und die Deutsche Streicherphilharmonie bald wieder hier konzertiert.
 
 Wir danken Ingo Klatt für die Proben-Aufnahmen.