Nichts für Feiglinge

John Coltrane - A Love Supreme: Live In Seattle

von Sabine Kaufmann

Nichts für Feiglinge
 
John Coltrane live in Seattle
 
Am 23. September 1926 wurde einer der bedeutendsten Jazzmusiker der Geschichte geboren: der Tenorsaxophonist John Coltrane. Fast rechtzeitig zu seinem 95. Geburtstag (Coltrane starb am 17. Juli 1968) bringt Impulse! Records ein sensationelles Fundstück auf den Markt: Eine bisher unbekannte Live-Aufnahme seiner Jazz-Suite „A Love Supreme“, entstanden am 2. Oktober 1965, also heute vor 66 Jahren, die Ende 2020 entdeckt wurde. John Coltrane gilt als Mit-Erfinder des Bebop und als einer der Erneuerer des Jazz in der Mitte des 20. Jahrhunderts schlechthin. Alleine deshalb ist der Fund in den Impulse!-Archiven bedeutsam, wenn auch die Aufzeichnungsqualität im Grunde nicht diskutabel und das Konzert an sich nichts für Feiglinge ist. Nach zähem Aufbau – man meint zu spüren, daß Coltrane und Band bei diesem Kaltstart ohne Proben noch nicht bereit sind – tritt erst nach fast 36 Minuten mit einem genialen Kontrabaß-Solo (wer spielt es, Garrison oder Garrett?) eine qualitative Wende ein, die Band läßt eine völlig neue, kreative Stimmung spüren. Auch der Klang wird voller, bietet mehr Eindruck und Genuß. Für Enthusiasten ein Überraschungsbonbon.
Wenig hilfreich ist das Booklet zur CD, das zwar viele gute und wichtige Informationen von Louis Porter enthält, aber die enthaltene minutiöse Beschreibung des Spielablauf ist nicht nachvollziehbar.
 
Hier lasse ich auszugsweise den Promotion-Text zum Album zu Wort kommen, der das Album mit Hintergründen vorstellt:
„…Diese Veröffentlichung fängt einen bedeutenden Moment in Coltranes Biografie ein. Obwohl es sich nicht um eine Aufnahme in Studioqualität handelt, strahlen die Kraft und Seele der neu gegründeten Gruppe in jedem Augenblick durch. Es existiert bereits eine posthume Coltrane-Aufnahme unter dem Titel „Live In Seattle", die im Rahmen der Konzerte des Künstlers an diesem Ort aufgenommen wurde. Daß die Gigs der restlichen Woche, und damit die Interpretation von „A Love Supreme“, ebenfalls aufgezeichnet wurden, war bisher nicht bekannt. Aufgenommen am 2. Oktober 1965 im „Penthouse Club“ in Seattle, von einem Freund Coltranes, dem bekannten Seattle-stämmigen Musiker Joe Brazil, mit dem hauseigenen Aufnahmegerät des Clubs, versetzt diese Aufnahme den Hörer zurück an einen Ort, an dem Musikgeschichte geschrieben wurde. (…)
Bei der Seattle-Version von „A Love Supreme“ handelt es sich um die vollständige Suite mit einer erweiterten Bandbesetzung von insgesamt sieben Musikern inkl. der Mitglieder seines Classic Quartet (McCoy Tyner, Jimmy Garrison, Elvin Jones) sowie niemand Geringerem als Pharoah Sanders bei seinem ersten offiziellen Auftritt als Teil von Coltranes Band.
Mit dieser bislang unbekannten Interpretation von Coltranes Jahrhundertwerk lernt der Hörer eine abenteuerlichere, faszinierend anders klingende Performance kennen. Eine noch freiere, stärker improvisatorische Herangehensweise an die ikonischste Musiksuite des amerikanischen Jazzkataloges.“
 
John Coltrane - A Love Supreme: Live In Seattle
© 2021 Verve Label Group, Impulse, 1965 (CD)
John Coltrane (ts, perc) – McCoy Tyner (p) – Jimmy Garrison (b) – Elvin Jones (dr) – Pharoah Sanders (ts, perc) – Carlos Ward (as) – Donald Rafael Garrett (b)
Titel:
1. A Love Supreme, Pt. 1 – Acknowledgement (Live in Seattle/1965) 2. Interlude 1 (Live in Seattle/1965) 3. A Love Supreme, Pt. II – Resolution (Live in Seattle/1965) 4. Interlude 2 (Live in Seattle/1965) 5. A Love Supreme, Pt. III – Pursuance (Live in Seattle/1965) 6. Interlude 3 (Live in Seattle/1965) 7. Interlude 4 (Live in Seattle/1965) 8. A Love Supreme, Pt. IV – Psalm (Live in Seattle/1965)
Gesamtzeit: 1:15:31