Ein würdiger Abschied

„Keine Zeit zu sterben“ von Cary Joji Fukunaga

von Renate Wagner

Keine Zeit zu sterben
No Time to Die - USA, GB 2021

Regie: Cary Joji Fukunaga
Mit: Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Christoph Waltz, Ralph Fiennes, Ben Whishaw u.a.
 
Eigentlich wartet die Welt – ja, auf einen neuen „James Bond“-Film hat immer die ganze Welt gewartet – seit gut zwei Jahren darauf, daß „No Time to Die“ endlich anläuft. Der fünfte und, wie es hieß, definitiv letzte Film, in dem Daniel Craig die Titelrolle spielen wollte, aber man weiß ja (nicht zuletzt von Sean Connery) Sag niemals nie!
Nun ist man aber überzeugt, daß Craig Bond hinter sich läßt und (wie Connery) vermutlich eine reiche und vielfältige Alterskarriere ansteuert.
Denn der Bond paßt ihm nicht mehr so richtig. Als Craig 2012, damals mißtrauisch beäugt, die Figur erstmals verkörperte, war er 44. Mittlerweile sind knapp zehn Jahre ins Land gegangen, und obwohl er körperlich trimm und fit wirkt, scheint er doch optisch früh gealtert. Das Drehbuch seines letzten Bond-Films trägt dem Rechnung (und auch dem Zeitgeist, der Hollywood wieder „familienfreundlicher“ machen will). Diesmal gibt es nicht das klassische Finale, wo er nach getaner Arbeit in den Armen einer sehr hübschen Frau das Leben genießen möchte – diesmal gibt es nur eine einzige Liebe, den ganzen Film hindurch, und das sagt er auch immer wieder mit umflortem Blick (und nur die kurze Zeit, die er von ihr getrennt ist, würde er etwas Sex mit Agentin Paloma (Ana de Armas), erwägen… wenn sie es schon selbst vorschlägt). Ja, er darf sogar sentimental werden angesichts des entzückenden Töchterchens der Geliebten (ist sie sein Kind, ist sie es nicht, es gibt widersprechende Aussagen) – wer hätte das je gedacht. Und wenn er auch seine Action durchführt wie eh und je, ein Hauch von Müdigkeit und Resignation scheint ihn zu umschweben.
 
Ja, das ist sein Abschiedsfilm. Neben sieben Mal Roger Moore, sechsmal Connery und viermal Pierce Brosnan (vergessen wir Dalton und Lazenby) hat er sich ehrenwert in die Geschichte der Figur eingeschrieben.
Der neue „Bond“ hat die üblichen Ingredienzien, und das ist gut so, man will pittoreske Schauplätze (Italien, der hohe Norden, Cuba und eine einsame Insel, wo sich das übliche Hauptquartier des Bösewichts befindet… Regisseur Cary Joji Fukunaga hält alle Elemente des Films am Laufen, natürlich auch die Action – schon im „Vorspiel“ passiert jede Menge in einer schönen italienische Stadt (Matera in Süditalien), Bond springt über eine riesige Brücke (weil natürlich praktischerweise ein Seil dafür vorhanden ist), rast mit dem Motorrad über eine ganzen Menschengruppe hinweg (eigentlich „fliegt“ er geradezu), und auch später gibt es Verfolgungsjagden, Explosionen, Kämpfe Mann zu Mann, alles drin auf die bewährte Weise.
Und wieder gibt es einen zentralen Bösewicht, diesmal arbeitet er an Giftstoffen und Zellenmutationen, mit denen er die ganze Welt ausrotten kann, und Rami Malek (einst für seine Darstellung des Freddy Mercury mit einem „Oscar“ ausgezeichnet) fügt den vielen lustvollen Sadisten, denen Bond schon gegenüber gestanden ist, einen ganz leisen, hintergründigen hinzu, vor dem man sich wirklich fürchten kann, auch wenn ihm der Wahnsinn nicht so direkt aus den Augen lodert. Warum Christoph Waltz, der als Bösewicht Blofeld in „Spectre“ ja nicht gestorben ist, nun noch in ein paar Gefängnisszenen den Wahnsinnigen markiert, ist für das Gefüge des Geschehens nicht wichtig.
Wie gesagt, diesmal gibt es im Grunde nur eine Frau als Liebesobjekt, nicht einmal eine interessante „böse“ zweite Dame wie so oft früher, und Léa Seydoux (die auch schon in „Spectre“ dabei war) ist nicht nur attraktiv, sondern auch seelenvoll, was die leicht sentimentale Färbung des Films bestärkt. Lashana Lynch taucht, wenn auch nicht sehr nachdrücklich, als Agentenkollegin auf und erklärt, sie sei die neue 007 (nicht sehr fair von seinen Londoner Arbeitgebern, die Bond selbst eigentlich abgeschrieben haben). Wenn es also für den nächsten Bond nicht nur ein farbiger Darsteller, sondern auch eine Frau sein sollte – sie hat sich schon im Umfeld bewegt.
Das Londoner Team, das entscheidet, aber meist nur zuhause hockt, hat sich schon seit einiger Zeit so formiert, daß Ralph Fiennes „M“ ist (und nach wie vor nicht annähernd so überzeugend wie Judi Dench), Naomie Harris eine attraktiv farbige Miß Moneypenny und Ben Whishaw als Q, der am meisten aus seinen Möglichkeiten macht. Zwar sitzt er meist nur am Computer (wenn er nicht neue „Spielzeuge“ für Bond bastelt), aber aus seiner Anteilnahme am Geschehen, das er auf den Bildschirmen verfolgt, ergibt sich eine nachdrückliche Rolle.
 
Der letzte Craig-Bond ist einer wie alle in der Reihe, kein besonderer, aber doch ein würdiger Abschied, der in zweidreiviertel Stunden zelebriert wird. Während er seine projektierten Millionengewinne einspielen darf, wird man das Bond-Fieber mit der Suche nach dem Nachfolger am Köcheln halten.
 
 
Renate Wagner