Dünner Aufguß alter Methoden

„The French Dispatch“ von Wes Anderson

von Renate Wagner

The French Dispatch
USA 2020

Drehbuch und Regie: Wes Anderson
Mit: Benicio del Toro, Frances McDormand, Adrien Brody, Tilda Swinton,
Timothée Chalamet, Bill Murray u.a.
Prädikat: wertvoll
 
Wes Anderson ist einer der Regisseure, für die der Filmfreund mit cineastischen Neigungen ins Kino geht. Der heute 52jährige hat schließlich, von den „Royal Tenenbaums“ bis zum „Grand Budapest Hotel“ einen ganz speziellen, persönlichen, unverwechselbaren Stil entwickelt, den viele für verrückt halten mögen, der aber mit seiner dramaturgischen und optischen Verschachtelung natürlich auch von hohem Reiz ist.
Anderson hat seit 2014 (dazwischen lag dann nur ein Animationsfilm) eine Generalpause eingelegt – umso neugieriger war man auf „The French Dispatch“. Und, wie das schon einmal ist, umso dünner erschien der Aufguß alter Methoden.
 
Diesmal hängt Anderson unter der Rahmenhandlung einer fiktiven amerikanischen, in Frankreich erscheinenden Zeitung (Chefredakteur: Bill Murray mit undurchdringlich ernsthafter Miene, die komisch genug ist) drei Geschichten auf, deren Substanz freundlich gesagt nur als „bescheiden“ bezeichnet werden kann.
Natürlich sind sie hoch besetzt und teilweise toll gespielt, aber auch Blödsinn muß Methode haben. Immerhin, Geschichte Nr. 1 geht als Kunstsatire durch – der Kunsthändler (virtuos zappelnd: Adrien Brody) entdeckt in dem Mörder Moses Rosenthaler (von herrlich dumpfer Sturheit: Benicio del Toro) das Malergenie, das dieser nicht ist, aber der als solches natürlich millionenschwer verkauft werden kann. Die Gefängniswärterin (Léa Seydoux, gerade bei James Bond, bald in „Die Geschichte meiner Frau“, also in gefühltem Dauereinsatz) dient ihm als Modell. Mit seinem geplanten Opus magnum schlägt der doch nicht so dumme Kriminelle allen ein Schnippchen… aber besonders interessant ist das nicht, auch wenn Tilda Swinton einen schlechtweg brillanten Auftritt als Kunsthistorikerin hat, die den üblichen Quatsch verzapft.
 
Ebensowenig sprühend ist es, wenn sich in Geschichte Nr. 2 eine Reporterin (Frances McDormand mit ihrem üblichen Frances McDormand-Gesicht, von dem man langsam vermutet, daß es wenige Variationen hat) über eine revolutionäre Studentenbewegung berichtet. Hier ist unter dem Namen Zeffirelli (ausgerechnet!) „Dune“-Held Timothée Chalamet lockenköpfig und eher verwirrt unterwegs, und verwirrend bleibt auch, was Anderson damit erzählen will.
Aber es kommt noch substanzloser, wenn in der Geschichte Nr. 3 Reporter Roebuck Wright (Jeffrey Wright) darüber berichtet, wie der Sohn des Polizeipräsidenten (Mathieu Amalric) entführt wird und ein asiatischer Koch heldenhaft dafür sorgt, daß die Mafia-Täter vergiftet werden (weil er sich als „Vorkoster“ opfert).
Die Reputation von Wes Anderson ist groß genug, daß sich in gesichtslosen Nebenrollen noch weitere Stars tummeln, die man kaum wahrnimmt, so schnell sausen sie vorbei. Denn man sieht das bei ihm Übliche: Menschen und verschiebbare Kulissenteile wurlen wild über die Leinwand, man erlebt viel (oder fast nur) Stil, aber der allein macht es nicht aus, wenn der Inhalt so dürftig ist – mäßig witzig, keine überzeugenden Pointen.
 
Nun kennt man das ja auch von Theaterregisseuren, daß sie immer ihre Masche abziehen, egal, was sie inszenieren. Dasselbe ist nun Wes Anderson passiert. Vielleicht sollte er seinen nächsten Film erst anbieten, wenn er wirklich etwas erzählen kann, das unter seiner bunten Hülle zu bestehen vermag.
 
 
Renate Wagner