Als sie ins Kloster ziehen wollte

Ein Foto von Arkadiy Kurta zu einem Gedicht

von Johann Christian Günther

Foto © Arkadiy Kurta                                                                                                                                                                                                                       Instagram

Als sie ins Kloster ziehen wollte

Soll, kluge Schönheit! dein Verlangen
Mit deiner Brust ins Kloster gehn?
Wie? soll der Garten brache liegen,
Auf welchem Zuckerrosen stehn?
Was Willst du, da sich andre freuen,
Mit Fasten deinen Leib kasteien?

Ach, schönes Kind! die enge Zelle
Ist deiner Hoffnung weites Grab:
Hier wächst und ist die Qual der Hölle;
Hier nimmt der Kern des Lebens ab,
Und in den langen Kirchenmauern
Muß auch Canari-Sekt versauern.

Der Jungfern-Honig nährt die Galle,
Die Einsamkeit begiert den Tod:
Die Jungfrau schwindet vor dem Falle,
Und leidet vor dem Leiden Not.
Der Rosenkranz, der Freiheit Ende,
Beschwert der Nonnen Herz und Hände.

Komm! laß dich in ein Kloster führen,
Wozu der Abt den Schlüssel trägt,
Und Amor über allen Türen
Dies in erhabner Schrift geprägt:
Zu unsrer lieben Frauen Orden
Ist dieser Ort gewidmet worden.

Den Altar geben deine Brüste,
Das Rauchwerk glüht in deiner Schoß:
Hier stillen wir des Fleisches Lüste
Und dämpfen sie auf einen Stoß,
Bis wir durch ein geschwächtes Küssen
Auch in das Complet treten müssen.


Johann Christian Günther