Der glückliche Hund – Erster gemeinsamer Film von Laurel und Hardy

Ein Jahr100Wissen-Interview mit dem Germanisten Dr. Dominik Orth

von Uwe Blass

Stan Laurel is seated with a mustachioed Oliver Hardy's hands around his neck. Jack Lloyd is the other man.- Quelle: Wikipedia

Jahr100Wissen
 
Wir lernen aus der Geschichte nicht, was wir tun sollen.
Aber wir können aus ihr lernen, was wir bedenken müssen.
Das ist unendlich wichtig.
(Richard von Weizsäcker)
 
In der Reihe „Jahr100wissen“ beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bergischen Universität mit 100 Jahre zurückliegenden Ereignissen, die die Gesellschaft verändert und geprägt haben.
 
 
Der glückliche Hund –
Erster gemeinsamer Film von Laurel und Hardy

Ein Jahr100Wissen-Interview mit dem Germanisten Dr. Dominik Orth


Im Oktober 1921 entstand der Kurzfilm „The lucky dog“ (Der glückliche Hund). Was macht den Film so erwähnenswert?
 
Orth: Als Film an sich ist „The lucky dog“ ehrlich gesagt nicht wirklich erwähnenswert. Es ist ein typischer Slapstick-Kurzfilm der damaligen Zeit: Ein Tolpatsch schlendert durchs Leben und trifft auf einen Schurken, der Tolpatsch trickst den Schurken aus, und dieser versucht sich zu rächen. Aber: Es ist der erste Film, in dem Stan Laurel und Oliver Hardy gemeinsam auftreten und das wiederum macht diesen Film äußerst erwähnenswert und filmgeschichtlich bedeutsam. Allerdings – und das ist ebenfalls sehr bemerkenswert – ist es nicht der erste Laurel-und-Hardy-Film im engeren Sinne, denn die beiden treten nicht als Duo auf, sondern sind eben zwei Schauspieler, die zufällig in einem gemeinsamen Film spielen und Figuren darstellen, die ebenfalls zufällig aufeinanderstoßen und sich bekämpfen – am Ende des Films dann auch wortwörtlich in einer absurden und grotesken Prügelei. Erst einige Jahre später, in der zweiten Hälfte erfolgreichen Komikerduo Laurel und Hardy, mit dem sie dann weltberühmt wurden. Aus deutscher Sicht ist noch erwähnenswert, daß dieser filmhistorisch nicht unwichtige Streifen in Deutschland damals nicht gezeigt wurde. 1921 soll er aber in den USA angelaufen sein, das genaue Entstehungsjahr ist jedoch umstritten.
 
Laurel und Hardy gehörten zu den wenigen Künstlern, die scheinbar problemlos vom Stummfilm zum Tonfilm wechselten. Wie gelang ihnen das?
 
Orth: Das liegt in erster Linie natürlich an der Form des Slapstickfilms – diese Art der Komik funktioniert auch ohne Ton. Es dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben, daß für eine kurze Übergangszeit einzelne ihrer Filme in zwei Versionen produziert wurden, eine mit und eine ohne Ton. Das war gerade für die Kinos, die aus Kostengründen nicht sofort auf die neue technische Ausstattung setzen konnten oder wollten, von großer Bedeutung, denn so verschwanden die Laurel-und-Hardy-Filme nicht einfach aus dem Programm. Außerdem lag es auch an den Schauspielern an sich: Sie waren jeweils von der Natur mit Stimmen ausgestattet worden, die vom Publikum – darauf verweisen zeitgenössische Berichte – als grundsätzlich angenehm und zu den Figuren passend empfunden wurden. Die neue Technik wurde darüber hinaus bewußt Komik erzeugend eingesetzt, beispielsweise, indem eine Figur als Tolpatsch eingeführt wird und in einer Folgeszene zu sehen ist, daß die Figur in einen Raum geht und quasi aus dem Bild verschwindet, denn die Kamera zeigt nicht die Figur in dem anderen Raum, in den sie gegangen ist, sondern nur, daß sie in den Raum gegangen ist. Plötzlich ist dann ein lautes Geschepper zu hören, wodurch klar ist, daß der Tolpatsch mal wieder ungeschickt war – das aber wird nur über die Tonspur und nicht explizit auf der Bildebene erzählt, das Element des Tons wurde also für eine neue Form der Komik genutzt.
Eine ganz besondere Rolle für den erfolgreichen Übergang in die Tonfilmzeit spielte gerade für den deutschsprachigen Raum die Anpassung der Filme an den internationalen Markt. Bevor sich die Synchronisation als Verfahren durchgesetzt hatte, war es nicht unüblich, daß in verschiedenen Sprachen gefilmt wurde, damit eben nicht nur im englischsprachigen Raum Einnahmen erzielten werden konnten. Und so fanden einige Laurel-und-Hardy-Komödien ihren Weg in deutschsprachige Länder, in denen die Schauspieler Stan Laurel und Oliver Hardy sich hörbar abmühten, deutsch zu sprechen, was wiederum durch den unüberhörbaren Akzent zu einer ganz neuen Form der Komik führte. So gelang auch in nicht-englischsprachigen Ländern der Übergang in die Tonfilmzeit, bevor dann synchronisierte Fassungen gezeigt und auch vom Publikum akzeptiert wurden.
 
Man bezeichnet die beiden Mimen, die ab 1927 immer gemeinsam auftraten auch als das erfolgreichste Komikerduo der Filmgeschichte. Aus welchem Grund?
 
Orth: Solche Zuschreibungen sind ja immer etwas überspitzt und nicht ganz unproblematisch und fungieren oft als Marketingstrategie, beispielsweise auf dem Buchmarkt. So hat etwa der Heyne-Verlag der Biografie „Laurel & Hardy“ von Reiner Dick den Untertitel „Die größten Komiker aller Zeiten“ spendiert; das hört sich natürlich interessant an und fördert potenziell den Verkauf.
Unabhängig davon zählen die beiden natürlich zu den besonders erfolgreichen Komikern in der Geschichte des Kinos, alle kennen eigentlich Laurel und Hardy – wobei es spannend wäre, zu erfahren, ob das bei der heutigen Generation der Studierenden eigentlich auch noch der Fall ist. Allerdings werden sie gerade im deutschsprachigen Raum im Vergleich zu anderen Stars der Zeit, etwa Charlie Chaplin oder Buster Keaton, meistens weniger wertgeschätzt, auch und gerade im Feuilleton und vor allen Dingen, bis auf wenige Ausnahmen, in der deutschsprachigen Filmwissenschaft. Dies hat unter anderem damit zu tun, daß hierzulande lange Zeit kaum authentische Fassungen ihrer Filme verfügbar waren, sondern oftmals lediglich aus dem Kontext gerissene Zusammenschnitte aus mehreren Filmen vorlagen und daran, daß das Duo nicht zuletzt durch die ZDF-Serie aus den 70er Jahren bis heute bekannt geblieben ist, in der im Grunde genommen die Filme nur als Rohmaterial mißbraucht wurden, um neu zusammengesetzt, kommentiert und mit Musik unterlegt zu werden.
Aber zurück zum Grund des Erfolgs: Dieser gründet einerseits sicherlich auf dem geglückten Übergang von der Stummfilm- in die Tonfilmzeit, von dem eben die Rede war. Ebenfalls eine Rolle dürfte die Vielzahl an Filmen – es sind über 100! – spielen, in denen die beiden gemeinsam aufgetreten sind, auch wenn die meisten davon Kurzfilme sind. Und nicht zuletzt haben sie es früh geschafft, zu einer erfolgreichen Marke zu werden, auch und gerade in der internationalen Filmlandschaft. So konnten sie etwa bereits in der Weimarer Republik auf eine nicht unerheblich große Fangemeinschaft in Deutschland bauen.
 
In Deutschland wurden die beiden unter dem sehr uncharmanten Namen Dick und Doof bekannt. Wie kam das?
 
Orth: Der genaue Ursprung ist nicht ganz klar, aber es gibt eine recht plausible Theorie. Fest steht, daß sich die beiden Komiker Ende der 20er Jahre in Deutschland bereits einen Namen gemacht hatten, es gab aber eben noch keinen griffigen Markennamen. Sie wurden aber schon als Duo wahrgenommen, in den Kritiken war oft die Rede von dem „oft und gern gesehenen Komikerpaar“. Für die deutsche Verleihfirma war es also naheliegend, sich einen entsprechenden werbewirksamen Namen auszudenken. Der erste deutsche Verleihtitel mit diesem Markennamen war „Dick und Dof im Sündenpfuhl“, im Original „Their Purple Moment“, und dabei wurde „doof“ mit nur einem „o“ geschrieben, also „dof“. Leider weiß man nicht, ob das nur ein doofer Schreibfehler war oder eine vermeintlich besonders gewitzte Schreibweise, so als ob jemand zu ‚doof‘ wäre, den Namen richtig zu schreiben. Noch in den 30er Jahren wurden Filme der beiden so beworben, also auch bei weiteren Komödien mit Laurel und Hardy, allerdings tauchte zusätzlich oft „Laurel & Hardy“ auf den Filmplakaten auf. Erst nach dem Krieg wurde daraus dann „Dick & Doof“ in der richtigen Schreibweise. Endgültig durchgesetzt haben sich die Namen dann wohl durch die Fernsehkarriere von Laurel und Hardy in den 70er Jahren, als unter diesem Titel ihre Filme stark bearbeitet und kommentiert als Serie über den Bildschirm flimmerten. Vermutlich sollte mit „Dick und Doof“ statt „Laurel und Hardy“ der Klamauk-Charakter hervorgehoben werden, zudem konnte das ZDF, wo die Serie lief, mit der Namensgebung an die Marke „Dick und Doof“, die ja bereits eine jahrzehntelange Geschichte hatte, anknüpfen.
 
Laurel wird in Deutschland nahezu durchgängig von Walter Bluhm synchronisiert, dessen weinerliche Falsettstimme unterschlägt, daß Stan eigentlich ein Bariton war, was man in verschiedenen Liedern wie „Blue Ridge Mountains of Virginia“ aus dem Film „Way out West“ von 1937 gut hört. Er war, man glaubt es kaum, auch der Intellektuellere der beiden mit vielen weiteren Qualitäten. Welche waren das?
 
Orth: Stan Laurel war der kreative Kopf des Duos, er war nicht nur Schauspieler, sondern er führte vor der Laurel-und-Hardy-Zeit auch Regie, er schrieb Drehbücher und Sketche und kümmerte sich um den Schnitt. Bereits als Kind organisierte er zuhause Theateraufführungen und hatte bei Auftritten großen Zuspruch erfahren, was ihn nicht zuletzt dazu ermutigte, eine Schauspielkarriere zu wagen. Sein Einfluss auf den Stil der Laurel-und-Hardy-Filme ist nicht zu unterschätzen; viele Regisseure wagten es nicht, ihm zu widersprechen, wenn er einer Szene oder einem Film seinen Stempel aufdrücken wollte.
 
Wann endete die erfolgreiche Zusammenarbeit?
 
Orth: Anfang der 50er Jahre entstand mit „Atoll K“, der auf Deutsch unter dem Titel „Dick und Doof erben eine Insel“ lief, der letzte, oft verrissene Film des Duos. Darin ist Laurel bereits stark von Krankheit gezeichnet. Zwar verbesserte sich sein Zustand
anschließend und er und Oliver Hardy tourten mit Sketchen durch England und absolvierten Fernsehauftritte, doch zu einem weiteren Film sollte es nicht mehr kommen. In Deutschland wurden während dieser Zeit dennoch zahlreiche frühere Filme der beiden aus den 30er und 40er Jahren ins Kino gebracht, teilweise als Zusammenschnitte aus mehreren Leinwandstreifen. 1955 erlitt Laurel dann einen Schlaganfall, kurz vor Drehbeginn einer neuen Fernsehreihe, die dann nicht mehr realisiert werden konnte, denn auch Hardy ging es zunehmend schlechter, er magerte stark ab, erlitt ebenfalls einen Schlaganfall und starb schließlich im Sommer 1957. Laurel war vom Tod seines Partners sehr betroffen, er arbeitete anschließend auch nicht mehr und starb schließlich 1965.
 
Im Bergischen Land sind die beiden auch präsent. In Solingen gibt es ein Laurel und Hardy-Museum. Waren sie da schon mal drin?
 
Orth: Nein, ich wußte auch ehrlich gesagt gar nicht, daß es das gibt. Aber jetzt, wo ich es weiß, ist das natürlich ein guter Grund, mir das einmal anzusehen.
 
Uwe Blass

Dominik Orth absolvierte ein Magister-Studium mit den Fächern Kulturwissenschaft, Germanistik und Geschichte an den Universitäten Bonn und Bremen. Er promovierte 2012 an der Universität Bremen. Seit 2017 arbeitet er als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bereich Neuere deutsche Literatur in der Fachgruppe Germanistik an der Bergischen Universität.