Diplomatie mit Rückgrat

Außenministerin Baerbock setzt Zeichen

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Diplomatie mit Rückgrat -
Außenministerin Baerbock setzt Zeichen
 
Annalena Baerbock macht sich gut auf der internationalen Bühne
- obwohl sie keine leichten Aufgaben vor sich hat.
 
Von Lothar Leuschen
 
Nach kaum zwei Wochen ist es natürlich viel zu früh, ein Urteil über Annalena Baerbock als Außenministerin zu fällen. Aber ein kleines Zwischenzeugnis ist vielleicht schon erlaubt. Und das fällt gut aus. Es überrascht, wie schnell und sicher die Ministerin sich auf dem internationalen Parkett bewegt, zumal die Tanzpartner teils wahre Rüpel sind. Aber die Polen haben offensichtlich falsch gedacht, als sie glaubten, sie könnten mit der jungen Frau aus Deutschland Schlitten fahren. Und auch der mächtige Wladimir Putin wird inzwischen wissen, mit wem er es in Deutschland in Zukunft zu tun hat. Denn erstens tritt die Bundesaußenministerin mit einem ziemlich geraden Rückgrat an, und das läßt zweitens vermuten, daß sie sich vom Bundeskanzler die Butter nicht vom Brot nehmen läßt. Dieses Zeichen hat sie schon damit gesetzt, daß sie den SPD-Staatssekretär im Außenamt durch einen Grünen ersetzt.
 
Gleichwohl könnte der Start ins Amt kaum schwieriger sein. Nach dem Urteil im Auftragsmord ist das Tischtuch zwischen Moskau und Berlin zerschnitten. Nun droht gegenseitige Ausweisung von Botschaftspersonal. Das ist mißlich in einer Zeit, in der Putin immer unberechenbarer zu werden scheint. Die Truppenaufmärsche an der Grenze zur Ukraine können sich schnell als echte Bedrohung herausstellen, wenn dem Machthaber im Kreml Corona und die Opposition weiter das Leben schwer machen. Und Nord Stream 2? Die Gasleitung durch die Ostsee ist für Deutschland Keule und Damoklesschwert zugleich. Bleibt die Leitung zu, treibt es Putin in die Enge, macht Deutschland die Leitung auf, wäre das eine immense Belastung für das Verhältnis zu den westlichen Bündnispartnern und zur Ukraine. In so einer Zeit Außenministerin werden zu wollen, zeugt von Mut, Optimismus und Selbstvertrauen.
 
All das ist auch notwendig. Denn die EU braucht ein belastbares Verhältnis zu Russland. Unter der Mißstimmung in Europa leiden die Ukrainer, weil sie den Zorn Putins zu spüren bekommen, und es leiden die Polen, weil Weißrussland mit dem Segen des Kremls auf Provokationskurs bleibt. 
 
Der Kommentar erschien am 17. Dezember 2021 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.