Der Weihnachtsesel

von Erwin Grosche

Foto © Dieter Schütz / pixelio

Der Weihnachtsesel
 
Zu Weihnachten sind wir etwas Besonderes. Wir haben das Beste verdient und sind so rührend mit unseren Wünschen und Hoffnungen. Was wird sich dann der Kopf zerbrochen, um jedem etwas Schönes und Einmaliges zu schenken. Alles soll möglich sein, und jeder Wunsch soll erfüllt werden. Sind sie auch für jemanden etwas Besonderes? In der Weihnachtszeit wollen wir zeigen, daß das Paradies keine Illusion ist. Glück ist da, wenn wir es wollen. Kennen sie die Geschichte vom Esel, der im Stall an der Krippe stand und nachdachte? Der Esel stand hinter der Krippe und war glücklich. Ne, ne, ne. Was bin ich glücklich“, sagte er. Neben ihm stand der Ochse und schüttelte den Kopf. Glücklich?“, sagte er. „Wieso bist du glücklich?“ Der Esel lachte: „Zuerst besucht mich dieses Pärchen mit dem Kind, dann kommt ein Engel vorbei und plötzlich lassen sich alle noch diese Schafhirten sehen, und zum Schluß kommen sogar drei Weise und bringen mir Weihrauch, Dingsbums und Möhre.“ Myrrhe“, sagte der Ochse. „Sie brachten Myrrhe.“ Ja ja“, sagte der Esel. „Auf jeden Fall was zum Essen.“ Der Ochse schüttelte den Kopf. Und Gold“, sagte er. „Sie brachten kein Dingsbums, sondern Weihrauch, Myrrhe und Gold.“ Der Esel verdrehte die Augen. Ist doch egal“, sagte der Esel. „Ich wußte nur nicht, daß ich was Besonderes bin.“ Der Ochse schaute den Esel an. Wieso sollst du was Besonderes sein?“, fragte er. Der Esel stöhnte auf. Weswegen haben sich denn sonst alle auf den Weg zu diesem Stall gemacht?“, sagte er. Bist du sicher, daß die wegen dir gekommen sind?“, fragte der Ochse. Der Esel lachte. Natürlich“, sagte er. „Wegen wem denn sonst? Hier ist doch sonst niemand, wegen dem es sich zu kommen lohnt.“ Doch“, sagte der Ochse. Der Esel schaute sich um, sah den Mann, die Frau, das Kind, das in der Krippe lag und schüttelte den Kopf. Was soll denn hier noch Besonderes sein?“, fragte er. Und was ist mit mir?“, sagte der Ochse. „Ein Ochse ist was Besonderes.“ Der Esel verdrehte die Augen. „Ein Ochse soll was Besonderes sein?“, sagte er. „Da lachen ja die Hühner. Ein Ochse ist ein Ochse. Was tust du denn schon besonderes, daß alle zu dir aufblicken sollen?“ Der Ochse dachte nach und stampfte mit den Hufen auf. Okay“, sagte er. „Vielleicht ist ein Ochse nichts Besonderes, aber was unterscheidet mich dann von einem Esel?“ Der Esel schaute sich um. Er sah zu der Frau und dem Mann, die vor der Krippe knieten und auf das Kind schauten. Das Kind schlief und nuckelte an seinem Daumen. Ich kann IA machen“, flüsterte der Esel. „Mein IA bringt das Kind zum Lachen und deswegen bin ich was Besonderes.“ Der Ochse schüttelte wieder den Kopf. Träum weiter, Esel“, sagte er dann. „Träum weiter.“ Dann schwiegen beide und schauten dem kleinen Kind, das direkt vor ihnen in der Krippe lag, beim Schlafen zu. Ich wünsche allen, die guten Willens sind, ein frohes Fest. Und seien sie sicher: wir sind alle etwas Besonderes, auch die Ochsen.
Frohe Weihnachten, Paderborn.


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