Damals wie heute

Hannes Wader – „Poetenweg“ (Live)

von Frank Becker

Damals wie heute
 
Hannes Wader ist eine Institution
 
Als er sich 2018 im Alter von 75 Jahren von der Bühne und seinem Publikum verabschiedete, mochte man das kaum glauben, zu sehr und zu eng war die deutsche Geschichte und Kultur mit dem Barden, Liedermacher und Gitarristen Hannes Wader verknüpft. Seit der große Moralist Hanns Dieter Hüsch abgetreten war, lag die Last der Mahnung allein auf den Schultern von Sängern wie ihm. Nun hatte er sich verdient von der Bühne zurückgezogen, sein Schatz an großartigen, ehrlichen, frechen, melancholischen, manchmal etwas verrückten und vor allem moralischen Liedern aber blieb stets präsent. „Macht´s gut!“ hieß sein Abschiedsalbum. Aber glauben mochte man es wie gesagt nicht so recht. Zwei Jahre später folgte seine Autobiographie „Trotz alledem - Mein Leben“. Er war also noch da. Und wie es sich bei einem - er möge mir die Formulierung verzeihen – alten Schlachtroß so gehört, das noch gut bei Kräften ist, kehrte er im September 2021 noch einmal für 80 alte Freunde und Wegbegleiter auf die Bühne zurück. In der Deppendorfer Wassermühle, unweit seines Geburtsortes, erzählte er mit Auszügen aus „Trotz alledem …“ aus seinem Leben und sang zwölf der zahllosen Lieder, die ihn begleitet haben.
 
Der Mitschnitt des intimen Konzerts – man wüßte zu gerne, wer alles da war – liegt nun vor und präsentiert einen ruhigen, besonnen sein Leben reflektierenden Sänger, der sich in seiner Liedauswahl spürbar auf das Wesentliche konzentriert hat. Volkslieder, autobiographisches, mahnendes und politisches Liedgut markieren das stimmungsvolle Programm, seine großen populären Erfolge von einst wie „Kokain“, „Ich hatte mir noch so viel vorgenommen“, „ Monika“, „Arschkriecher-Ballade“, „Langeweile“, „Das Bier in dieser Kneipe“, „Aufgewachsen auf dem Lande“ oder „Viel zu schade für mich“ fast gänzlich aussparte. Einzig „Heute hier, morgen dort“ von der LP „7 Lieder“ erinnerte an die frühen Alben und macht auf der CD den Abschluß. Früher hat es fast jedes seiner vielen Konzerte eröffnet.
 
Für eine ganze Generation ist Hannes Wader nach wie vor einer der bedeutendsten Liedermacher der Zeit von 1969, durch 70er bis Mitte der 80er Jahre, der großen Zeit des Genres. Das Erinnerungs-Album „Poetenweg“ ist ein berührende Dokument jener Zeit und eines Unbeugsamen, der eine Generation politisch und kulturell mit geformt hat.
Zu Hannes Waders 80. Geburtstag soll im Juni 2022 ein neues Studio-Album erscheinen, auf das ich schon jetzt ungeduldig warte.
 
Hannes Wader – „Poetenweg“ (Live)
(CD)
© 2021 Stockfisch Records

1. Begrüßung - 2. Gut, wieder hier zu sein. 3 - Krebsgeboren (Lesung) - 4. Krebsgang - 5. Lehrzeit (Lesung) - 6. Wahre Freundschaft - 7. Blessuren (Lesung) - 8. Wilde Schwäne - 9. Lieder der Arbeiterbewegung (Lesung) - 10. Brüder, zur Sonne, zur Freiheit - 11. Singen vertreibt das Leid (Lesung) - 12. Alle Hügel und Täler - 13. Wie aus einer anderen Welt (Lesung) - 14. Drei Zigeuner - 15. Soziokulturelle Prägungen (Lesung) - 16. Und am Abend ziehen Gaukler - 17. Am Poetenweg (Lesung) - 18. Der Zimmermann - 19. Fahrende Sänger (Lesung) - 20. Damals - 21. Schon zu viele (Lesung) - 22. Schwestern, Brüder - 23. Heute hier, morgen dort
Gesamtzeit: 1:12:11
 
Weitere Informationen: www.stockfisch-records.de