„Davon glaube ich kein Wort!“

Charles Darwin in der Anekdote (2)

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer

„Davon glaube ich kein Wort!“

Charles Darwin in der Anekdote (2)

Von Ernst Peter Fischer
 

Heiraten oder nicht
 
       Als Wilberforce später durch einen unglücklichen Sturz auf einen Stein seinen Schädel gebrochen hat und an den Folgen dieser schweren Verletzung später auch gestorben ist, soll Huxley gesagt haben, „Kaum trifft der Bischof auf die harte Wirklichkeit, gibt er seinen Geist auf.“
       Was die Frage nach den Affen angeht, so hat eine Lady der Gesellschaft auf die Frage der menschlichen Herkunft souveräner reagiert als die Vertreter der Kirche und gesagt, als sie in ihren vornehmen Kreisen von Darwins evolutionären Gedanken gehört hat: „Was? Wir Menschen sollen von Affen abstammen? Hoffen wir, daß es nicht stimmt. Und wenn es stimmt, hoffen wir, daß es sich nicht herumspricht und es niemand außer uns erfährt.“
       Darwin selbst hat sich nicht in solche Debatten eingeschaltet und seine Leidenschaft mehr auf die Natur gelenkt und sein Leben vor allem beobachtend und sammelnd verbracht, wobei es ihm in seiner Jugend besonders die Käfer angetan haben. Es gab sie in so großer Zahl in den Wiesen und Wäldern, daß er manchmal mit seinen Händen und Taschen nicht alle fassen und verpacken konnte, die er mit nach Hause nehmen wollte, und dann sich einfach entschied, ein paar von ihnen im Mund zu transportieren. Darwin entwickelte dabei auf jeden Fall die hübsche Ansicht, daß der liebe Gott von den Käfern begeistert war und sie über alles lieben mußte, denn sonst hätte er kaum so viele von ihnen gemacht.
       Darwin litt nach seiner langen Weltreise zeit seines Lebens an einer merkwürdigen Krankheit, die bis heute nicht diagnostiziert ist und unverstanden bleibt, die aber dazu führte, daß er sich in seinem Leben „niemals glücklich, außer bei der Arbeit“ fühlte, wie er seinem Tagebuch anvertraute. Auf dessen Seiten wog er auch das Für und Wider einer Verehelichung ab:
       „Heiraten
Kinder (so Gott will). Ständige Gefährtin (und Freundin im Alter), die sich für einen interessiert. Jedenfalls besser als ein Hund. Eigenes Heim und jemand, der den Haushalt führt. Charme von Musik und weiblichem Geplauder. Diese Dinge gut für die Gesundheit – aber schreckliche Zeitverschwendung-
       Nicht heiraten        
Freiheit hinzugehen, wo man will. Wahl der Gesellschaft, und wenig davon. Nicht gezwungen, Verwandte zu besuchen und sich jeder Kleinigkeit zu unterwerfen. Keine Lektüre an den Abenden. Man wird fett und faul. Angst und Verantwortung, weniger Geld für Bücher usw.“
       Zuletzt überzeugt sich Darwin von den Vorteilen der Ehe mit den Vorzügen einer bürgerlichen Idylle, indem er notiert: „Stelle dir vor, den ganzen Tag allein in einem verrauchten Londoner Haus zu verbringen. Halte dagegen das Bild einer lieben, sanften Frau auf einem Sofa am Kaminfeuer“.
       Bald hielt er konsequenterweise um die Hand von Emma Wedgwood an, die zu seinen Cousinen zählte, was Darwin später wegen der nahen Verwandtschaft Sorgen bereitete. Zwar kannte man damals noch keine Erbgesetze, aber die Folgen von Inzucht hatten die Menschen auch ohne wissenschaftlichen Ehrgeiz längst bemerkt, und so beobachtete Darwin höchst genau und voller Sorge, wie langsam seine Kinder lernten und wie lange sie zum Beispiel brauchten, um Farbwörter richtig zuordnen zu können. Er sprach betrübt von der Farbendummheit der Kleinen, die heute keine Rolle mehr spielt und verschwunden ist, da anders als zu Darwins Zeiten die Kinderzimmer nicht grau, sondern voller bunter Klötzchen, farbig illustrierter Bücher und Massen von Malstiften sind.
       Übrigens – die Idee einer evolutionären Anpassung von Arten und damit das moderne Verständnis vom Werden des Lebens wurden zum ersten Mal im Jahre 1858 vor einer wissenschaftlichen Gesellschaft in London vorgestellt. Bei diesem Treffen der Linnean Society erfuhren die Mitglieder sowohl von Darwins Gedanken als auch von ähnlichen Beobachtungen, die der Engländer Alfred Wallace auf seinen Weltreisen gemacht hatte und die auch auf eine natürliche Selektion als Ursache der Artenvielfalt hinausliefen. Wallace hatte Darwin dies in einem Brief mitgeteilt, der daraufhin Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um die wissenschaftliche Öffentlichkeit mit seinen Gedanken vertraut zu machen und sich die Priorität zu sichern, wobei er Angst hatte, als zweiter ins Ziel zu kommen, da er seine Ideen nicht vor 1859 in Buchform auf den Markt bringen konnte. Seine Freude arrangierten eine gemeinsame Lesung der evolutionären Ideen von Wallace und Darwin vor der Linnean Society, was deshalb hier als Anekdote erzählt werden kann, weil der Präsident der Gesellschaft am Ende des Jahren 1858 bedauerte, im abgelaufenen Jahr keine großartige Neuerung erlebt und nur Routine in den wissenschaftlichen Vorträgen gehört zu haben.   
 

© Ernst Peter Fischer