Abschied vom Café Plückebaum

von Erwin Grosche

Foto © Konditorei Plückebaum

Café Plückebaum
 
Es ist nicht so, daß man für alles einen Ersatz findet. Manchmal hinterläßt nur man nur eine Lücke, und das ist auch gut so. Ich weiß noch, wie mein Freund Giovanni Gianfrancesco seine kleine Pizzeria an der Driburger Straße auflöste und mit Frau und Gitarre nach Italien ging, um ein wenig freier zu sein. Manche träumen noch immer von den Kochkünsten seiner Frau Maria, die in ihrer Miniküche wahre Zauberkünste vollbrachte. Voller Dankbarkeit und Demut denke ich daran zurück. Nicht jeder hat das Glück, daß ein geliebter Ort von jemandem übernommen wird, der sich auch um dessen Seele kümmert. Konstantinos "Kosta" Iakovidis war 30 Jahre lang Stammgast im Willies Heartbreak Hotel, nun hat er es übernommen. So werden Nischen gerettet und die Kultur einer Stadt bewahrt. Bald wird nun das Café Plückebaum schließen. Damit schließt ja nicht nur ein Café, indem der letzte Toast Hawaii in Paderborn zubereitet wird, damit verabschiedet sich auch ein Vorgeschmack auf das Paradies - und ob es dort Toast Hawaii gibt, ist bei unserer Lebensführung sehr ungewiß. Auch die schlichten Genüsse haben ihre Berechtigung, wenn das Große und Ganze stimmt. Konditormeister Plückebaum weiß das. Er bietet zusammen mit seinem Team täglich 40 Torten an. Herausragende Ereignisse sind das Himbeertörtchenglück, die Käse-Mohn-Provokation und die Holländer-Kirsch-Sünde. Wie oft stand ich vor der Verkaufstheke und konnte mich nicht entscheiden. So müssen Wunder sein. Man erträgt sie in der Gewißheit, daß mehr davon da ist, als man braucht. Ich hatte einen Papa, der Bäcker war, und obwohl dies ein wichtiger und sinnlicher Beruf ist, sah ich ihn nur beim Arbeiten. Wenn ich wissen wollte, wie es meinem Papa ging, mußte ich seinen Mohnkuchen essen. Ein Mohnkuchen sagt die Wahrheit. Ein Bäcker steht früh auf und geht spät ins Bett und träumt in der Nacht von neuen Tortenrezepten. Das Leben ist bunt wie ein Obstboden und besitzergreifend wie ein Frankfurter Kranz. Gerade fragile Diven wie der Holländer Kirsch brauchen die ganze Liebe des Konditors auf, sonst mault der Blätterteig und verweigert seine Präsenz. Herr Plückebaum beginnt einen neuen Lebensabschnitt und plant eine Alpenüberquerung. Kam ihm dazu die Idee, als er mit dem Tortengarnierkamm die helle Trüffelmasse, die zum Überziehen von Gebäck verwendet wird, bearbeitete? Natürlich erinnern auch die Schneespitzen der Berge an seine dekorierten Sahnecremetorten. Man liest oft, daß man einmal im Leben eine Alpenüberquerung gemacht haben soll, das Drei-Hasen-Fensters gesehen, einmal im Amalthea Theater gewesen sein und einmal im Leben die Käse-Mohn-Torte von Herrn Plückebaum gegessen haben soll. Erst dann kann man sagen, man hat gelebt. Die meisten dieser Herzenswünsche sind für uns Paderborner leichter zu erreichen als für andere. Liebe Familie Plückebaum, sie haben das Leben in Paderborn schöner gemacht und waren für uns da, als wir Trost brauchten. Die Alpen sind im Grunde schnell überquert, aber in Paderborn gibt es manche Berge zu bezwingen, die höher sind. Danke für alles.
 
Es ist die Zeit gekommen, Tschüs zu sagen. Wir gehen im Guten. Für uns beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt“, erklärt der 55-jährige Herr Plückebaum.
 
 
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