Schach ist kein Ping-Pong

Im Essener Aalto-Musiktheater wurde die Premiere von "Chess" gefeiert

von Andreas Rehnolt
"Chess": Schachspiel könnte ruhig länger dauern



Gefeierte Premiere des Musicals im Essener Aalto-Musiktheater begeisterte nicht zuletzt durch ein fantastisches Bühnenbild


„Chess – Das Musical“
von Benny Andersson, Tim Rice und Björn Ulvaeus

Musikalische Leitung: Heribert Feckler  -  Inszenierung und Choreographie: James de Groot / Paul Kribbe  -  Bühne: Dirk Becker  -  Kostüme: Martina Feldmann  -  Choreinstudierung: Alexander Eberle

United Rock Orchestra


Premiere am Samstag, 13. September 2008, 19.00 Uhr


Rückkehr zweier Stars

Essen - Das auf deutschen Bühnen bislang kaum gespielte Schachmusical "Chess" aus der Feder von Tim Rice und den ABBA-Mitgliedern Benny Andersson und Björn Ulvaeus hat gestern Abend im Essener Aalto-Musiktheater eine gefeierte Premiere erlebt. Während es bei der technischen Aussteuerung der Songs noch einiges zu verbessern gibt, begeisterte die rund zweistündige Inszenierung von Trevor Nun nicht zuletzt durch ein fantastisches Bühnenbild, das teilweise natürlich in Schachbrett-Manier daherkommt. Die männlichen Hauptdarsteller Serkan Kaya in der Rolle des russischer Schachspielers Anatoly Sergievsky und Henrik Wager als US- amerikanischer Spieler Frederick Trumper wurden vom Premierenpublikum begeistert gefeiert.

Kortschnoi vs. Fisher

Für die beiden Musical-Darsteller ist es eine gelungene Rückkehr ans Aalto-Theater. Sie hatten sich

Szene - Foto: Aaalto Musiktheater
bereits als Jesus und Judas im äußerst erfolgreichen Musical "Jesus Christ -
Superstar" als hervorragendes "Duo" präsentiert. In "Chess", so betonten nicht wenige der Premierenbesucher, hätten allerdings die Begegnungen beider am Schachbrett ruhig etwas länger beziehungsweise intensiver ausfallen können. Schließlich wird "das Spiel der Könige" doch nicht in Ping-Pong-Manier gespielt, sondern erfordert auch Ruhe, Überlegung und Zeit. Das 1986 uraufgeführte Stück erzählt die Geschichte zweier professioneller Beherrscher dieses Brettspiels, die in Konkurrenz zueinander treten. Vorbilder dafür sind zweifelsohne die Schachlegenden Viktor Kortschnoi und der kürzlich verstorbene Bobby Fischer.

Die Spielszenen und das ehr ruppig-prollige Verhalten von Trumper am Schachbrett erlebte das Publikum im vollbesetzten Musiktheater der Reviermetropole mittels Videoübertragung auf eine Leinwand auch optisch - quasi von oben - mit. Während der Amerikaner das Spiel als Show inszeniert, nimmt Sergievsky es ruhig, konzentriert und in seiner grüblerischen Art letztlich erfolgreich. Die Lieder der beiden männlichen Hauptfiguren sind dementsprechend ausgewählt, während Wager die eher klassischen Ohrwürmer singt, hat Kaya die schwierigeren Songs zu meistern, die seiner

One Night in Bangkok - Foto: Aaalto Musiktheater
Stimme alle Brüchigkeiten der Gefühle
abverlangen.

Hinreißendes Bühnenbild, großartiger Chor

Natürlich spielt auch das weibliche Geschlecht eine Rolle in diesem Stück über Politik, Verschwörung, Intrige, Fanatismus, Liebe und Eifersucht. Femke Soetenga überzeugt in ihrer Rolle zunächst als Geliebte und Managerin von Trumper, später als Geliebte von Sergievsky und ganz am Ende als Alleingelassene. Hinreißend das Bühnenbild, das das Treffen des im zweiten Teil des Stücks nun für die USA spielenden Schachweltmeisters Sergievsky in Bangkok mit einem russischen Herausforderer einleitet. Da zeigt der Opernchor des Aalto farbenprächtig und stimmgewaltig als die thailändische Hauptstadt das Gewühl von Straßenküchen, Bars, Tempeln und Geschäftigkeiten, inklusive einer gigantischen Buddha-Statue und dem berühmten Hit "One Night in Bangkok". Hervorragend auch, wie der Chor die Namen der Schach-Weltmeister der vergangenen 170 Jahre als sakralen Song intoniert.

Kalter Krieg am Schachbrett

Die Story zeigt auf, wie im "Kalten Krieg" der früheren beiden Supermächte selbst das Schachspiel

Foto: Aaalto Musiktheater
nicht von politischen Intrigen verschont bleibt. Erpressung, Denunziation und
Drohungen sitzen mit am Schachbrett. Entsprechend die Songs "The Deal" und "I know him so well". Am Ende des Spiels ist nichts mehr wie zuvor – jeder muss erkennen, dass er nur eine Figur im Spiel der Mächtigen ist. Das Schachbrett wird in diesem Musical auch zum Schlachtfeld für konkurrierende Ideologien zwischen West und Ost. Gesungen wird übrigens in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln, die allerdings viel zu hoch über der Bühne eingeblendet werden, sodaß sich der Zuschauer entscheiden muß, ob er das Spiel auf der Bühne sehen oder die Schriftzüge lesen möchte.

Applaus für erstklassige Gesamtleistung

Am Ende gab's lang anhaltenden, verdienten Applaus für hervorragende Solisten, gute Tänzer, einen hervorragenden Chor, ein tolles Orchester unter Leitung von Heribert Feckler und nicht zuletzt ein faszinierendes Bühnenbild, das Dirk Becker verantwortet.

Weitere Vorstellungen:
14., 16., 28. September; 2., 4., 26. Oktober; 1., 16. (geschl.), 29. November; 4., 10., 12. Dezember 2008; 7., 9., 16., 18. Januar; 14., 20. Februar; 13. März; 1. April 2009

Karten unter 8122 200 und tickets@theater-essen.de
http://www.theater-essen.de