"Vom Küssen der Kröten" und anderes

Hellmuth Karasek auf der Museums-Insel Hombroich

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Lieber vom Leben gezeichnet,
als von Picasso gemalt!


Hellmuth Karasek las in Hombroich aus seinem neuen Buch "Vom Küssen der Kröten"
und anderen Texten

Ein Feuilleton schreiben heißt
auf einer Glatze Locken drehen.
  (Karl Kraus)


Ein literarischer Flaneur

Er ist einer der letzten großen Flaneure der deutschen Literatur, ein scharfzüngiger Feuilletonist
und eleganter Plauderer vom Rang eines Anton Kuh, Alfred Polgar oder Victor Auburtin. Hellmuth Karasek, Journalist und Gentleman (was nicht immer miteinander einher geht), war am vergangenen Donnerstagabend auf Einladung des Kultursalon Düsseldorf und mit Unterstützung der Bürgerstiftung Düsseldorf zu Gast auf der Museumsinsel Hombroich, wo er vor vollem und begeistertem Haus aus seinem jüngsten Buch "Vom Küssen der Kröten" las. Die Sammlung brillanter, häufig tagesaktueller Feuilletons, die auch vor dem Auge Wilmont Haackes Gnade gefunden hätten, zwischen Dezember 2004 und Dezember 2007 erstmals als wöchentliche Kolumne in der "Berliner Morgenpost" und im "Hamburger Abendblatt" gedruckt, ist vor kurzem bei Hoffmann und Campe erschienen. Sie setzt eindrucksvoll das Œuvre des geistreichen Erzählers fort.

Erfrischend pointiert

Es war der letzte sonnige Tag dieses Sommers gewesen, über dem Niederrheinischen hing eine

Foto © Frank Becker
feuchtheiße Glocke schwüler Luft. Tapfer waren der literarische Stargast und seine Zuhörer
durch das weitläufige Museumsgelände angewandert - der Wunsch nach Abkühlung einte den Lesenden und seine Gemeinde. Die Herren durften ablegen, Damen nutzten den Vorteil luftig sommerlicher Garderobe. Doch schon mit der erheiternden Titelgeschichte zum Wahlabend des 18. September 2005 war den Temperaturen die Spitze genommen. Das Lachen über die Dummen, welche um den lächerlichen Preis eines nutzlosen Sieges Kröten fressen, erfrischte - wie denn auch alles folgende durch seine spritzige Heiterkeit. Schnell abgeschossene Pointen über John McCain, Ex-Vize Dan Quayle und Andrea Ypsilanti und ihre dunkelroten Freunde in spe kamen bestens an, zumal mit dem nachgeschobenen Henri Nannen-Zitat "Mancher ist schon als Adler gestartet und als Suppenhuhn gelandet".

Kalendergeschichten


Foto © Frank Becker
Daß Johann Peter Hebels Kalendergeschichten wie die vom "Kannitverstan" und die von den vertanen drei Wünschen auch heute noch ihre Gültigkeit haben, zeigte ihr Erfolg beim Publikum. Hebels Lebensklugheit und Jonathan Swifts "Gullivers Reisen" als Beispiel für geschliffene politische Satire gehören für Hellmuth Karasek zum Besten der Literatur, und er läßt beredt daran teilhaben. Das folgende Feuerwerk eigener Glossen und Sottisen über Jürgen Drews und das geistige Eigentum, das alptraumhafte "Dinner bei Putins", den Kampf gegen die gemeine Stechmücke oder Gelse, bzw. Schnake aus der Familie der Culicidae oder das pünktlich erneut aktuell gewordene "Müntefering und die Zehn Gebote" war so kurzweilig, daß
Hitze, Hunger Durst und mittlerweile einsetzender Regen vergessen waren. Auch ein wenig Schadenfreude kann gut tun, wie die Begebenheit mit den falschen Terracotta-Kriegern zeigt, die sich das Hamburger Völkerkundemuseum hatte andrehen lassen. "Nicht Laotse, sondern Lehár...".

Mit Kanonen auf Spatzen

Auch aus der 2000 erschienenen Sammlung "Mit Kanonen auf Spatzen" und seinem ironisch autobiographischen "Süßer Vogel Jugend oder: Der Abend wirft längere Schatten" gab Hellmuth Karasek  Kostproben, und niemand hätte sich beschwert, hätte er sämtliche Bücher ganz gelesen. Erst nach zwei Stunden, mehreren Zugaben und dem Signieren seiner Bücher mochten die Zuhörer den eloquenten Plauderer ziehen lassen. Hellmuth Karasek zitiert Alfred Polgar dazu, was eine Glosse sei: "...ein Nichts, aber in Seidenpapier". Genau so fein hat er selbst seine Geschichten verpackt.

Hellmuth Karasek - Auswahl:
"Vom Küssen der Kröten", 2008 Hoffmann und Campe
"Süßer Vogel Jugend oder: Der Abend wirft längere Schatten", 2007 Hoffmann und Campe
"Betrug", 2001 Ullstein Berlin
"Mit Kanonen auf Spatzen", 2000 Kiepenheuer & Witsch
"Das Magazin", 1998 Rowohlt Verlag
"Go West! - Eine Biographie der 50er Jahre", 1996 Hoffmann und Campe
"Mein Kino - Die besten 100 Filme", 1994 Hoffmann und Campe"