Der Stachel im Fleisch
Salome: Oscar Wildes Drama als packendes Kammerspiel Regie und Ausstattung: Jens Kalkhorst - Regie-Assistenz: Julia Lingnau Salome: Angela Del Vecchio - Jochanaan: Maurice Kaeber - Herodes: David Meister - Herodias: Nadine Mehler - Narraboth: Dennis Ellerbrake - Page: Stephanie Spichala - Soldat: Jens Kalkhorst
Wie schön ist Prinzessin Salome heute Nacht!
Sie ist jung, schön, begehrenswert - und wird nicht nur von den Soldaten der Garde bewundert: der syrische Hauptmann Narraboth (Dennis Ellerbrake) liegt ihr willenlos zu Füßen, wenn sie ihn nur ansieht: Salome, Prinzessin von Judäa (Angela del Vecchio). Die Tochter der Herodias (Nadine Mehler) kann von ihrem Stiefvater Herodes, Tetrarch von Judäa alles haben: Juwelen, Gold, gar das halbe Reich des Herodes, wenn sie nur für ihn tanzt. Das Lob, das Oscar Wildes Text in der Übersetzung von Frieda Uhl ihr singt, klingt wie das Hohelied Salomos - da werden ihre Hände mit Schmetterlingen verglichen, ihre Füße mit Silber und ihre Haut mit dem Schatten einer weißen Rose. Salome weiß genau um den unwiderstehlichen erotischen Reiz, den sie auf die Männer in ihrer Umgebung ausübt, sie setzt mit Raffinesse und Kaltblütigkeit ihre Mittel ein, um ihre Ziele zu erreichen. Angela del Vecchio ist eine brillante Besetzung, überzeugend ihre zur Verführung eingesetzte Schönheit, durchtrieben die Erotik, mit der sie Narraboth und später Herodes kirre macht. Alle Facetten der Verführung und weiblicher List Nur einen erreicht das schöne junge Weib nicht: den in der Zisterne des Palastes gefangen gehaltenen Propheten Jochanaan (Maurice Kaeber) der ihr Begehren "Dein Mund ist wie ein Scharlachstreif an einem Turm von Elfenbein. Er ist wie ein Granatapfel, von einem Elfenbeinmesser zerteilt. (...) Laß mich deinen Mund küssen, Jochanaan! (...) Ich will deinen Mund küssen!" und ihre Schmeicheleien "Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiß wie die Lilien auf dem Felde (...) wie der Schnee, der auf den Bergen von Judäa liegt (...) Laß mich deinen Leib anfühlen" zurückweist, sie als Hure Babylons, als Tochter Sodoms zurückstößt, ihr aller Lockung zum Trotz den Kuß der roten Lippen verweigert. Kaeber, auf der kleinen Bühne des Rex-Theaters wirkungsvoll in Szene gesetzt, vermittelt die Zerrissenheit des durchaus als Mann gezeichneten Heiligen vorzüglich. Fast, ja fast erliegt er der wollüstigen Schönen, um dann umso stärker aus der Prüfung hervorzugehen. Was tut eine Frau wie Salome, wen sie nicht bekommt, was will? Sie haßt und sinnt auf Rache. Angela del Vecchio beherrscht alle notwendigen Facetten zwischen zuckersüßem Säuseln und brodelndem Haß, schmachtender Hingabe und gefährlichem kindischem Trotz auf dem Weg zum Ziel. Diesem durchtriebenen Weib möchte man nicht ausgesetzt sein. Die Maßlosigkeit ihrer Salome wallt ebenso über die Rampe wie später der Wahnsinn des Herodes (David Meister). Das Grauen in Herodes´ Augen Der läßt in umgekehrter, auf den jungen Leib Salomes gerichteter gurgelnder und gurrender Wollust
Hackt dieses Vieh in Stücke!*)
Herodes hat seinen Schwur zu einem hohen Preis gehalten, nun kann, nein muß er handeln: "Tötet dieses Weib!" Hier glitt, nachdem Jens Kalkhorst die entscheiden Charaktere bis ins beklemmende Detail präzise ausgeleuchtet hatte, der Abgang nach großem Theater ein wenig ins Melodramatische ab. Eine sehenswerte Aufführung. *) Schluß-Satz des Herodes in der Düsseldorfer Bearbeitung von Einar Schleef 1997 Nächste Termine am 11.10., 17.10. und 31.10. im Rex-Theater Wuppertal. Weitere Informationen unter: www.taltontheater.de |