Üppige Klarinette, romantische Gefühlsnuancen

Sebastian Manz (Klarinette) – Herbert Schuch (Klavier) – „Brahms-Schumann-Gade“

von Johannes Vesper

Üppige Klarinette,
romantische Gefühlsnuancen
 
Klarinette und Klavier von Brahms, Schumann, Gade
 
Johannes Brahms (1833-1897) hatte das Komponieren eigentlich schon aufgegeben. Dann aber faszinierte ihn der Soloklarinettist des Meininger Hofkapelle Richard Mühlfeld so, daß er noch seine zwei Sonaten für Klarinette und Klavier op. 120, 1+2 als quasi allerletzte Werke schrieb. Mühlfeld war als Geiger in die die Hofkapelle eingetreten und hat erst nach einigen Jahren zur Klarinette gewechselt. Die beiden waren bald eng befreundet und Johannes Brahms schenkte dem vollbärtigen „Fräulein Klarinette“, wie er ihn nannte, einen silbernen Teelöffel mit Monogramm und uns seine späten Werke für Klarinette. Diese „zeitlosen Meisterwerke“ lagen dem Klarinettisten Sebastian Manz schon sein ganzes Klarinettistenleben sehr am Herzen. Er habe sie immer wieder neu entdeckt und ihnen sich jetzt einfach hingegeben, sie aus dem Bauch heraus interpretiert, seinen Gefühlen freien Lauf gelassen und so eine spontane, riskante, aber jedenfalls authentische Klangorgie bieten wollen und geboten hat. Im Beiheft zeigt er sich begeistert vom Aufnahmeort. Das Ausnahmealbum entstand im holzgetäfelten Angelika-Kauffmann-Saal von Schwarzenberg mit seiner glasklaren Akustik, in dem der Steinway-D-Flügel aus alten Brahmszeiten mit seinem authentischen Klang herübergrüßt. Erstaunlich, wie sich alle Takes unterschieden, schreibt der Klarinettist zu der Aufnahme und läßt den Hörer im Ungewissen darüber, warum er welchen ausgewählt hat und berichtet freimütig, daß er die Werke so wie auf dieser Aufnahme nie wieder spielen werde. Vielleicht machen ja die Spontaneität und der musikalische Funke des Augenblicks das eigentlich Musikalische aus. Auf der Aufnahme verschmelzen Klarinettist und Pianist Herbert Schuch in makelloser Korrespondenz, geben sich melodischen Feinheiten und kantablen Gefühlsnuancen hin, wozu beim Klarinettisten Finger und Atmung aus den Bauch heraus zusammenwirken, während die Seele des Pianisten, ist die Klaviertaste erst mal gedrückt, anschließend kaum mehr Einfluß geltend machen kann.
 
Robert Schumanns (1810-1856) „Fantasiestücke“ stammen aus einem seiner fruchtbarsten Jahre, nämlich 1849. Sie folgen einander ohne Unterbrechung, sind romantische Werke par excellence, woraufhin schon die Überschriften hinweisen: „Zart und mit Ausdruck - lebhaft leicht – rasch und mit Feuer“. Die Wirren und das Chaos der Revolution 1948/49 geht an diesen Stücken völlig vorüber und das trübe Ende des Komponisten hat sich noch nicht angekündigt. Schumann ließ innert weniger Monate weitere Duo-Instrumentalzyklen (Horn und Klavier, Oboe und Klavier Cello und Klavier) folgen. Die Klarinette findet hier zu ihren typischen markigen, kräftigen, üppigen Klang und bietet temperamentvolle Stimmungsbilder.
 
Die Fantasiestücke von Niels Wilhelm Gade (1817-1890) op. 43 haben mit den Schumannschen nur den Titel gemeinsam. Hier stehen die die eher konzertanten Sätze ohne romantische Titelei einzeln, Nur der 3. Satz, die Ballade, erzählt eine bedeutungsvolle ernste Geschichte, rein musikalischen Inhalts. Das Duo hält sich hier genauestens an alle Anweisungen des Komponisten. Höchst differenziert nach Dynamik und Agogik gehören diese zu den romantischen virtuosen Kostbarkeiten der Romantik, die nicht dauernd in den Programmen zu hören sind. 15 Jahre nach den Stücken Robert Schumanns entstanden, ist die Freundschaft und persönliche Nähe der beiden Freunde in gemeinsamen Leipziger Zeiten nicht zu überhören (vor allem No 4 Allegro molto vivace). Im Beiheft (Deutsch-Englisch) äußert Sebastian Manz Ideen und Gedanken zu den Stücken.
 
Aus deutsch-russischem Elternhaus stammend, wurde Sebastian Manz in Hannover geboren. Der Solo-Klarinettist des SWR Symphonieorchesters ist seit 2008 in der Szene bekannt. Damals gewann er beim ARD-Wettbewerb den 1. Preis in Kategorie Klarinette, den Publikumspreis und weitere Sonderpreise. Dreimal errang er den Echo Klassik für seine CDs. Als Solist spielte er u.a. mit dem Bochumer Symphonieorchester, dem Hessischen Staatsorchester Wiesbaden, den Nürnberger Symphonikern wie mit dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra und der Chamber Music Society of Lincoln Center in New York. Kammermusik spielte er mit dem Boulanger Trio, dem Danish String Quartett, dem Armida Quartett und anderen. Durch Benny Goodmans Einspielung des Es-Dur Konzerts von Carl Maria von Weber kam er zur Klarinette. Herbert Schuch wurde in Temeschburg (Rumänien) geboren und lebt seit 1988 in Deutschland. Im Alter von 12 Jahren in die Klasse des Salzburger Mozarteums von Karl-Heinz Kämmerling aufgenommen, gewann mehrfach den Bundeswettbewerb bei „Jugend musiziert“, sowie u.a. den Internationalen Beethoven Klavierwettbewerb Wien, spielte das 5. Klavierkonzert von Beethoven unter Pierre Boulez ein. Er erhielt den Echo Klassik Preis für das Klavierkonzert von Victor Ullmann und das 3. Klavierkonzert von Beethoven mit dem WDR Sinfonieorchester, trat mit seinen Programmen u.a. bei den Salzburger Festspielen, beim Heideberger Frühling, beim Rheingau Festival, beim Klavier Festival Ruhr auf, spielte mit vielen großen Orchestern, jüngst mit dem Mariinsky Theatre Orchestra unter Valery Gergiev im Münchener Gasteig. In jüngster Zeit wird er geprägt durch die Zusammenarbeit im Alfred Brendel. Besonders engagiert er sich in der von Lars Vogt begründeten Organisation „Rhapsody in School“, die Schülern klassische Musik nahe bringt.
 
„Brahms-Schumann-Gade“
Sebastian Manz (Klarinette) – Herbert Schuch (Klavier)
© 2022 Berlin Classics Edel Music (CD)
Stücke:
Johannes Brahms: Sonate in f-Moll op.120 Nr. 1 für Klarinette und Klavier: 1. Allegro appassionato, 2. Andante un poco Adagio, 3. Allegretto grazioso 4. Vivace
Niels Wilhelm Gade: Fantasiestücke op. 43 für Klarinette und Klavier. 5. Andantino con moto, Allegro vivace, 7. Ballade, 8. Allegro molto vivace. Robert Schumann: Fantasiestücke op. 73 für Klarinette und Klavier. 9. Zart und mit Ausdruck, 10 Lebhaft, leicht. 11 Rasch und mit Feuer.
Johannes Brahms: Sonate in Es Dur op. 120 Nr. 2 für Klarinette und Klavier 12. Allegro amabile, 13. Allegro appassionato, 14 Andante con moto.
Gesamtzeit: 1:06:57
 
Weitere Informationen: www.berlin-classics-music.com