Extrem langsam und nicht wirklich variantenreich erzählt

„Robuste“ von Constance Meyer

von Renate Wagner

Bildunterschrift
Robuste
Frankreich / 2021

Drehbuch und Regie: Constance Meyer
Mit: Gérard Depardieu, Déborah Lukumuena. Lucas Mortier u.a.
 
Daß Gerard Depardieu ein Brocken von einem Mann ist und das auch unverhohlen ausstellt, weiß man seit Jahrzehnten, eigentlich, seit man ihn auf der Leinwand kennt. Eskortiert wird er jedoch meist von den schönen, schlanken, weißen Frauen, die noch immer unserem Schönheitsidealen entsprechen (wenn man sich nicht schon voll die neue Ideologie hinein gezogen hat), Daß ihm eine schwarze Frau gegenüber steht, die körperlich so „mächtig“ ist wie er … das ist einmal a priori das Besondere an „Robuste“, dem Film der Regisseurin Constance Meyer.
 
Über diese Dame findet man – ein rarer Fall – fast nichts im Internet, außer daß dies ihr erster Spielfilm als Regisseurin ist, nachdem sie bis dato als Produzentin und Drehbuchautorin tätig war. Auch diese Geschichte hat sie sich selbst geschrieben, die Konfrontation von einem mürrischen alten weißen Mann mit einer verschlossenen jungen schwarzen Frau.
Die beiden geraten in eine Art von Abhängigkeitsverhältnis, also würde man unweigerlich an den französischen Welterfolg „Ziemlich beste Freunde“ erinnert. Aber dieser damalige Film hat, bei aller Spekulation, durch Humor und Frechheit gezündet, während Constance Meyer eine ausgesprochen tragisch-elegische Geschichte auf die Leinwand bringt, die extrem langsam und nicht wirklich variantenreich erzählt und von seltsamer A-capella-Musik eingerahmt wird, die „anspruchsvoller Kunstfilm!!!“ zu signalisieren scheint.

Zumindest wird einem kein Rassismus-Problem aufs Auge gedrückt: Als der alte, müde, kranke Filmstar Georges als temporären Bodyguard-Ersatz die kraftvolle schwarze Wrestlerin zugeteilt bekommt, zuckt er nicht mit der Wimper und hat auch kein Problem mit ihr: unfreundlich ist er zu allen Leuten. Und wenn er nicht pleite wäre, würde er nicht die Rolle in einem Historienfilm annehmen, der ihn überhaupt nicht interessiert. Immerhin muß Aïssa, die man eben so oft beim Training auf der Matte erlebt wie bei ihrem „Dienst“ bei George, ihn nicht nur herumkarren, sondern mit ihm auch die Rolle lernen, das heißt, die Stichworte bringen.
Nebenbei erlebt man, daß sein kleiner Sohn kurzfristig vorbei gebracht wird und gleich wieder unvermutet weg ist (der kleine Hund, den er ihm gekauft hat, ist geblieben), und man sieht sie mit ihrem weißen Freund, dessen Gefühle nicht wirklich klar werden. In der gewissen Leere äußerer Ereignisse kann man in winzigen Nuancen die Beziehung entwickeln, die keine wird, zumindest vermeidet die Autorin / Regisseurin jedes kitschige Happy End, sondern läßt die beide nach einiger Zeit eben wieder auseinander gehen.
 
Bis dahin hat Aïssa etwas Sorge und Verantwortung für Georges entwickelt, der bei Panik-Attacken ihre Hilfe braucht und auch immer wieder einmal verschwindet, und er ist immerhin so interessiert an ihr, daß er ihr und ihrem weißen Freund nachspürt. Aber nichts davon führt eigentlich zu etwas – und weder kann man in dem Film Humor noch Liebenswürdigkeit entdecken, die von den Pressetexten angeboten werden, allerdings wird man auch nicht mit Sentimentalität belästigt. Zwei Menschen, die eine gewisse Begabung zu Einsamkeit und Zurückgezogenheit in sich selbst haben, bleiben am Ende allein.
Wenn die über weite Strecke langweilige Geschichte, die nie wirklich „zündet“, dennoch interessiert, so liegt es an den beiden Hauptdarstellern. Die große Zeit des über 70jährigen Gerard Depardieu ist einigermaßen vorbei, zehn Jahre ist es her, daß er zuletzt als Obelix über die Leinwand wankte und allgemeines Entzücken erregte. Die großen, anspruchsvollen Rollen, die ihn zum Gesprächsthema machten, sind für ihn äußerst rar geworden. (Daß er sich Putin in die Arme warf, ist schon nicht gut angekommen, als Putin den europäischen Politikern noch als akzeptabler Partner erschien.) Nun hat er mit diesem ausgelaugten Schauspieler Georges, der eigentlich gar nichts mehr will, die große Rolle seiner späten Jahre gefunden, man könnte sogar meinen, daß sie autobiographische Züge trägt. Und Depardieu spielt diesen müden Georges uneitel, unspekuliert und gänzlich ohne virtuosen Touch. Eine bemerkenswerte Schlichtheit, mit der er sich auf die Interaktion mit einer starken, aber doch stillen Partnerin einläßt.
 
Die 27jährige Déborah Lukumuena hat sich wohl Kilo und Muskeln für diese Rolle ebenso antrainiert wie die Ringer-Künste, die sie zeigt. Sie trainiert hart und zäh, aber besonderen Enthusiasmus läßt sie nicht erkennen. Im Männer-Outfit tritt sie zu ihrem Bodyguard-Job an, will die Sachen ohne innere Beteiligung einfach ordentlich erledigen. Daß sie einmal weint, weil sie gefürchtet hat, Georges tot zu finden, ist eine Ausnahme. Eine eindrucksvolle Leistung.
Filme dieser Art mit verschiedenrassigen Protagonisten sind an sich so heikel, daß niemand Einwände wagen wird. Aber daß die Geschichte lange nicht so packend ausgefallen ist, wie es möglich gewesen wäre, wenn nicht so sehr auf „Kunst“ spekuliert worden wäre, darf man sich doch eingestehen.
 
 
Renate Wagner