Die Milch der frommen Denkart

„Monsieur Claude und sein großes Fest“ von Philippe de Chauveron

von Renate Wagner

Monsieur Claude und sein großes Fest
Qu’est-ce qu’on a tous fait au bon Dieu? - Frankreich 2021

Drehbuch und Regie: Philippe de Chauveron
Mit: Christian Clavier, Chantal Lauby, Pascal N’Zonzi, Émilie Caen u.v.a.
 
Als „Monsieur Claude“ 2014 erstmals  auf der Leinwand des französischen Kinos auftauchte, war er als Beschwichtigungsfigur gedacht. Liebe Franzosen, lautete die Botschaft, wenn Ihr schon mit all den Migranten in Eurem Land leben müßt, dann findet Euch mit Würde  damit ab. Um die Lustspielsituation besonders ausdrucksstark zu gestalten, heirateten die vier Töchter des großbürgerlichen Paares Monsieur und Madame Claude und Marie Verneuil so multikulti wie nur möglich: einen Araber, einen Juden, einen Chinesen und einen Schwarzafrikaner.
Daß alle sich so sehr als Franzosen fühlten, daß sie schließlich gemeinsam die Marseillaise schmetterten, gefiel dem Publikum so sehr, daß 2019 Teil zwei folgte. Da reiste das Ehepaar um die Welt, um die Eltern der Schwiegersöhne kennen zu lernen. Teil drei, nun im Kino, variiert die Geschichte nur geringfügig, indem die Schwiegereltern der Töchter nun zu Besuch kommen, um den 40. Hochzeitstag der Verneuils mitzufeiern.
 
Der Witz der Filme bestand und besteht darin, daß die politische Korrektheit, mit der vor allem die Mutter der Familie so liebenswert befaßt ist, natürlich nicht funktioniert. Die Schwiegersöhne (zumal der Araber und der Jude) würden sich am liebsten den Schädel einschlagen (wenigstens tragen sie den Zwist nur in ihren Gärten aus), und auch die anderen Nationen blicken auf einander herab und schräg hinüber. Wobei man die jüngere Generation ja noch mit Mühe im Griff behalten kann – aber die Eltern! Die toben sich aus (auch mit ihren eigenen Ressentiments), als sie französischen Boden betreten. Kurz, multikulti ist so einfach nicht…
Wie oft man das Thema noch hin- und herrollen kann, scheint fraglich, aber Christian Clavier als der übersprudelnde Franzose schlechthin ist eine Pracht, er hält das Geschehen eisern zusammen und sorgt für die derben und die feineren Pointen. Und reizvoller als Chantal Lauby kann man seine Gattin gar nicht spielen.
Wie immer vergißt das Drehbuch weitgehend auf die Töchter, diesmal mit Ausnahme von Ségolène (Émilie Caen). Diese ist eine „moderne“ Malerin, die scheußliche Bilder mit viel Blut schafft, die allerdings einen reichen deutschen Sammler Helmut Schäfer (Jochen Hägele) zu begeistern scheinen. Oder ist es die Malerin, auf die er spitzt, was deren chinesischen Gatten Chao (Frédéric Chau) ziemlich eifersüchtig macht? (Was der Sammler wirklich will, ist dann eine echte Pointe.)
Im übrigen bleiben die Töchter bis zur Bedeutungslosigkeit im Hintergrund, der Algerier Rachid (Medi Sadoun) und der Jude David (Ary Abittan) zoffen sich wenigstens, sonst hätten sie auch keine Funktion, und der Schwarzafrikaner Charles (Noom Diawara) spielt in einer Laienaufführung den Jesus, was die Umwelt spaltet – die Konservativen sind entsetzt, die Fortschrittlichen begeistert.
Zu diesen eher mageren Handlungssträngen kommen dann die ganzen Elternteile, wobei – wie schon vor allem im ersten Teil – der schwarze Schwiegervater Pascal N’Zonzi allen die Show stiehlt, sobald er auftritt. Die anderen Schwiegerväter können da nicht ganz mithalten. Die Schwiegermütter – ob Jüdin, ob Araberin, ob Chinesin, ob Afrikanerin – treffen sich auf einer sympathischen weiblichen Ebene und heizen ihren Ehemännern ein.
 
Regisseur und Drehbuchautor Philippe de Chauveron hält das Geschehen von Pointe zu Pointe am Laufen, deutet gelegentlich an, daß sie Situation zwischen all den Herrschaften vielleicht nicht ganz einfach ist, gießt aber am Ende die Milch der frommen Denkungsart und allgemeines, erlösendes Gelächter über die Situation, womit sich Probleme allerdings nur im Kino lösen lassen.
Aber wenn das Wünschen je geholfen hätte – auf der Leinwand gibt es die harmonisierenden Lösungen, die wir im Leben so bitter vermissen.
 
 
Renate Wagner