Götterdämmerung

Habeck redet sich um Kopf und Kragen

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Habeck redet sich um Kopf und Kragen
 
Götterdämmerung
 
Von Lothar Leuschen
 
Es gibt vermutlich keine gute Zeit für politische Achterbahnfahrten. Die Gegenwart ist dafür allerdings gewiss die Schlechteste. Und ausgerechnet jetzt hat Robert Habeck eine Fahrkarte gekauft. Sein Auftritt in der TV-Talkshow Maischberger glich einem Teufelsritt in den Abgrund. Die Versuche des Wirtschaftsministers, das Thema Insolvenz zu umschiffen, bringen ihm am Tag danach Hohn und Spott ein. Dabei hat der grüne Vizekanzler lediglich versucht, die Zuschauer zu beruhigen. Also gibt es keine Insolvenzen, stellen Betriebe lediglich vorübergehend die Arbeit ein. Daß so etwas im realen Wirtschaftsleben nicht folgenlos zu organisieren ist und in den meisten Fällen schnurstracks in die Insolvenz führen muß, wird auch der Wirtschaftsminister wissen. Er sagt es nur nicht, weil er nicht auch noch Feuer an die Lunte legen will, die sich mittlerweile durch die krisengebeutelte Republik zieht. Robert Habeck beweist damit Empathie. Das ist sympathisch. Gemessen an politischen Erfordernissen hat er allerdings eine Minderleistung abgeliefert. Für solche Momente ist der Begriff Götterdämmerung erfunden worden. Die wird ihn noch länger beschäftigen. Das Amt kostet ihn sein Auftritt nicht. Eine derart gewichtige Personalie kann sich die fragile Ampel nicht leisten.
 
Die Zauderei Habecks legt ein beträchtliches Defizit der Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz offen. Es fehlt an Klarheit, es fehlt in der Folge an Struktur und es fehlt zunehmend am Vertrauen darauf, daß das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP die schwerste Krise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird bewältigen können. Habeck hätte, wie vorher verschiedentlich auch schon Kanzler Scholz, diesem Eindruck entgegenwirken können. Dazu aber braucht es den Mut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Dazu gehört unter anderem die Aussage, daß es Insolvenzen geben wird. Es hat mit dem Düsseldorfer Papierhersteller Hakle doch bereits prominent begonnen. Aufgabe einer Regierung muß sein, diese Gefahren zu benennen und nach Kräften dagegen zu wirken. Schönreden hilft ebenso wenig wie verwirrtes Verstreuen von Milliarden von Euro.
 
 
Der Kommentar erschien am 8. September 2022 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.