Unter die Haut gehend erzählt

„Der Paßfälscher“ von Maggie Peren

von Renate Wagner

Der Paßfälscher
Deutschland 2022 

Regie: Maggie Peren
Mit: Louis Hofmann, Jonathan Berlin, Luna Wedler, Nina Gummich, André Jung u.a.
 
Man weiß, daß es sie gegeben hat, jene mutigen Juden, die im Dritten Reich keinen gelben Stern anlegten und sich in der Öffentlichkeit bewegten, als gehörten sie zu den „Ariern“ und wären nicht die Verfemten und Verfolgten. Und man weiß auch, daß nicht nur die Nazis selbst Fälscherwerkstätten im großen Stil betrieben, sondern daß auch unaufhörlich daran gearbeitet wurde, Juden mit Hilfe von falschen Papieren die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen.
Eine solche Geschichte erzählt nun „Der Paßfälscher“ von Regisseurin Maggie Peren. Bisher vor allem als Drehbuchautorin erfolgreich, erzählt sie in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm eine Geschichte, die wahren Ereignissen nachempfunden ist – und sie erzählt sie „wahr“. Man hat oft genug erlebt, daß die Zeit des Nationalsozialismus auf der Leinwand verführerisch funkelte, von den „Verdammten“ von Visconti bis gewissermaßen „Babylon Berlin“.
 
Wenn es hier um zwei junge Männer geht, die lebensgefährlich agieren, so tun sie es in einem düsteren, gefährlichen Berlin – und wenn der junge Jude Cioma Schönhaus seine Begabung und erlernten Fähigkeiten dazu einsetzt, Pässe zu fälschen („Gute Fälschungen sind kleine Kunstwerke“, heißt es), tut er es nicht für Geld, sondern für Menschen, die anderen schlechtweg helfen wollen. Es sind Christen, die die Papiere zur Verfügung stellen, die  Cioma für den Gebrauch von Juden umgestaltet, später arbeitet er mit jüdischen Kollegen…
Cioma (sehr überzeugend: Louis Hofmann) lebt mit seinem Freund Det (Jonathan Berlin) und später seiner Freundin Gerda (Luna Wedler) in einer Welt, in der man nicht weiß, wem man vertrauen kann – jeder grüßt zur Sicherheit mit „Heil Hitler“, ob er es nun meint oder nicht. Und vor Blockwart-Frauen muß man sich in Acht nehmen, auch wenn sie korrupt sind. Obwohl Cioma wagemutig agiert und die jungen Menschen sich spürbar nicht unterkriegen lassen wollen, wird der sich etwas behäbig bewegende Film auch nicht leichtfüßig, wenn er und Det sich – als „Offiziere“ verkleidet – kühn ins Berliner Nachtleben mischen. Das Fälschen von Pässen, nach und nach seine Hauptbeschäftigung, bleibt den Behörden ja doch nicht verborgen. Eine beklemmende Geschichte.
 
Nun, dem echten Cioma Schönhaus ist, wie man beruhigt feststellen kann, 1943 die Flucht in die Schweiz gelungen (mit einem Paß, den er für sich selbst gefälscht hat). Dort wurde er 93 Jahre alt. Seine Geschichte wird langsam, unspekulativ, aber über weite Strecken durchaus unter die Haut gehend erzählt.
 
 
Renate Wagner