Und Vogelschall tönt überall?

Caroline Ring –„Wanderer zwischen den Welten. Was Vögel in Städten erzählen“

von Johannes Vesper

Und Vogelschall tönt überall?
 
Was Vögel in Städten erzählen
 
Wie würde es der Mensch ohne Vögel aushalten? Der Vogel ist dem Menschen ein liebes Texttier von Aristophanes über Joachim Ringelnatzens 20 Raben am „Grab der Zieharmonika im dunklen Erdteil Afrika“, bis hin zu Max Dauthendeys Amseln, den Möwen Christian Morgensterns, die alle aussehen als ob sie Emma hießen und dessen Raben Ralf.

       Caroline Ring, die Biologin und Wissenschaftsjournalistin hat die umgekehrte Frage bearbeitet: Wie halten es Vögel neben Menschen aus? Wohl nicht so gut, nimmt doch die Zahl der Vögel weltweit rasant ab, schreibt sie. Immerhin werden in Deutschland noch 552 Vogelarten gezählt. Anfang Mai rennen die Vogelfans in ganz Deutschland hinter ihren Lieblingen her (855 Teams mit 2546 Teilnehmern, zählen alle und finden die meisten Arten in den Ballungszentren der großen Städte. Ob die moderne Landwirtschaft mit ihren Monokulturen dies zu verantworten hat? Merkwürdig, daß ausgerechnet in den zerbombten Städten des 2. Weltkrieges die Haubenlerche („Trümmervogel“) besonders heimisch wurde, während sie sich, aktuell nahezu ausgestorben, auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands findet (Foto siehe unten). In Güstrow wird noch eine kleine Gruppe beobachtet. In ihrem Buch „Wanderer zwischen den Welten“ schreibt die Autorin über deutsche Städte und wie ihre charakteristischen Vögel da so leben.
 
       Überrascht wird der Leser gleich zu Beginn mit dem Hinweis, daß Berlin die deutsche und europäische Hauptstadt der Nachtigallen ist. Die Nachtschwärmerei scheint in Berlin endemisch zu sein. Nicht nur in Bars, Theatern und Kneipen ist man nachtaktiv. Nein, auch in Bäumen und Büschen des gesamten Stadtgebiets. Da singen nachts im Mai die Nachtigallen und die, die in der 2. Hälfte Mai immer noch singen, haben Schwierigkeiten bei der Partnersuche. Das Singen der Männchen führt bei Nachtigallen zu bemerkenswerter Konstanz der Partnerbeziehung. Obwohl die Nachtigallen den Winter getrennt in Afrika verbringen, treffen sie sich im Frühjahr wieder meist am selben Baum wie im Vorjahr. Für die Partnersuche in der Natur (jedenfalls für die Nachtigall) scheint unverzagtes, selbstbewußtes Singen von größerer Bedeutung zu sein als der Besuch von Datingportalen. Vielleicht sollten sich die Menschen an diesem „kleinen braunen Vogel“ ein Beispiel nehmen: Jedenfalls zeichnen sich die Nachtigall-Männchen, die engagiert gut und viel singen, auch durch engagierte Nestpflege aus und gelten ihren Weibchen als besonders familiär. Kurz: Fliegen, Winterurlaub auf unterschiedlichen Erdteilen, Singen, Lieben, Freiheit: all das fasziniert den Menschen und regt zur Nachahmung an.
 

Haubenlerche (Galerida cristata) - Foto © Johannes Vesper

       Während die Zahl der Uhus in Deutschland nur dank umfangreicher Schutzprogramme langsam wieder zunimmt, nachdem ihnen vor 60 Jahren fast die Ausrottung drohte, sind Amseln hier die häufigsten Vögel. Mehr als acht Millionen Brutpaare paaren sich Jahr für Jahr. 1820 begann man in Bamberg die Stadtamseln zu registrieren und die Wissenschaft rätselt, warum die Amsel, die Jahrtausende versteckt im Wald und Busch gelebt hat, inzwischen überall lieber bei den Menschen stadtnah wohnt, wo sie sich ausgesprochen wohl zu fühlen scheint. Jedenfalls spiegelt ihr klangvoller abwechslungsreicher Gesang im Frühling herab von der höchsten Tannenspitze zweifellos ein wunderbares Lebensgefühl wider.
Wie schwer es dagegen die majestätischen wie seltenen Uhus haben wird aus Hildesheim berichtet. wo die jungen Uhus bei der Nestflucht aus der hohen Domfassade 25 m tief auf Kopfsteinpflaster fallen und den Sturz überleben.
Die Spechte, an sich sympathische Kerle mit kräftigem Schnabel, der nicht als Waffe eingesetzt wird, hämmert auch in den Städten auf alles, vor allem auch auf Hauswände, die mit einer Wärmedämmung versehen sind. In Mainz wurde die Fassade des Finanzamtes nicht von revoltierenden, unzufriedenen Steuerpflichtigen, sondern von lebensfrohen Spechten ruiniert. Dabei ernährt sich der Grünspecht eigentlich von Regenwürmern, die er aus der Wiese zieht.
 

Buntspecht (Dendrocopos major) - Foto  Heinz E. Boden

       Wer mehr über den Gartenrotschwanz, Mauersegler in Weimar, den fast ausgestorbenen Waldrapp am Bodensee bei Überlingen, die Stadttaube in Bochum, den Halsbandsittich in Köln, die Nilgans in Frankfurt, über den gefräßigen und sexuell so überaus aktiven Haussperling, als „Inbegriff der Gewöhnlichkeit“ in München besonders verbreitet, und weitere Vögel erfahren will, der lese dieses unterhaltsame, locker geschriebene, lehrreiche wie interessante Buch. Empfehlenswert!
Caroline Ring studierte Evolutionsbiologie, arbeitete im Berliner Naturkundemuseum, im Wissensressort der „Welt“. Ihr erstes Buch „Was Bäume in Städten erzählen“ erschien 2020 im gleichen Verlag.
 
Caroline Ring –„Wanderer zwischen den Welten. Was Vögel in Städten erzählen“
© 2022 Berlin Verlag in der Piper Verlags GmbH, 285 Seiten, gebunden (Karton), Lesebändchen, 16 Illustrationen, Umfangreiche Auswahlbibliographie - ISBN 978-3-8270-1453-5..
24,- €
 
 
Redaktion: Frank Becker