Von der Ästhetik des Automobils

René Staud (Fotos), Heinrich Lingner (Idee und Text) – „Art of Cockpit“

von Frank Becker

Von der Ästhetik des Automobils
 
Design-Ikonen aus 135 Jahren Autogeschichte
 
Was nützt das gelungene Äußere eines eleganten Luxus-Automobils, wenn beim Einsteigen der enttäuschte Blick auf ein phantasieloses Armaturenbrett (nehmen Sie das „Brett“ gerne wörtlich) unschöne Sitzbezüge oder auf Schalthebel und Lenkrad von purer Funktionalität fällt? Eben.
„Die Hände am Lenkrad und die Armaturen im Blick, war der Sitzplatz am Steuer von jeher der Ort emotionaler Begeisterung für das Automobil“ schreibt Heinrich Lingner zu seinem neuen, gemeinsam mit dem Fotografen René Staud herausgegebenen Buch „Art of Cockpit“ -  und weiter: „Die Cockpits heutiger Autos sind daher akribisch bis ins Detail von Designern durchkomponiert. Doch auch in der Automobilgeschichte waren Armaturen und Innenraum stets ein Ausweis handwerklichen Könnens und des Zeitgeschmacks, der über den reinen praktischen Nutzen hinausging.“ Der Fotograf René Staud hat Ikonen des Automobil-Designs in Portrait und Innenleben in hervorragender Qualität ins Bild gesetzt, und der Motorjournalist Heinrich Lingner erzählt dazu  die Design-Geschichte dieser „Schaltzentrale“ des Autos.

Was tut man, wenn man sich für ein neues Auto interessiert und der Werbeprospekt sowie der Showroom des Händlers zur Genüge studiert sind? Man setzt sich hinein, lehnt sich zurück,  läßt die Hände über das Lenkrad gleiten, den Blick über die Armaturen gehen. Ist alles am richtigen Platz, bilden Funktionalität und Ästhetik eine Einheit, liegt die Hand ruhig auf dem Knauf der Schaltung, lockt der Sitz zu langer bequemer Fahrt? Spätestens jetzt spürt man die Qualität und ist bereit zu entscheiden.
Nun ist es nicht jedem gegeben, sich aus den in diesem Buch beschriebenen und gezeigten Karossen nach Belieben die passende auszusuchen, denn hier treffen wir auf die Crème de la Crème der Automobilwelt, Traumwagen von den Anfängen bis heute mit einem einzigen historischen Ausreißer, dem Volkswagen von 1943, bei dem – jeder VW-Besitzer bis hin zum Mexiko-Käfer weiß es – von Luxus nicht die Rede sein konnte. Aber es ist toll, dessen karge Schlichtheit in der Umgebung des überbordenden Luxus-Designs zu sehen. Ich hätte ja auch gerne die „Cockpits“ (hier seien mir bitte die süffisanten Anführungszeichen gestattet) von Goggomobil, Citroën 2CV und Renault R4 mit aufgenommen gesehen, schließlich wurden von denen mehr verkauft als vom 1957er BMW 507 oder dem Bugatti Veyron 16.4 von 2005 – aber man kann nicht alles haben.
 
Was allerdings Heinrich Lingner und René Staud für dieses wunderschöne Buch an Beispielen für automobile Ästhetik zusammengebracht haben, sind die wohl schönsten Autos der Geschichte, Stoff für einen schwelgerischen Ausflug in die Welt von Auto und Design, in der man das feine Leder der Sitze riecht, die edlen Hölzer der gediegenen Lenkräder spürt und Armaturen vor Augen hat, die durch ihren zugleich eleganten wie durchdacht zweckmäßigen Aufbau bestechen. Wie schon gesagt, das Vergnügen, mal einen Aston Martin DB 6, einen McLaren F1, den 1954er Mercedes Benz 300 SL, den 1961er Jaguar E-Type Cabriolet, einen 1957er Maserati 3500 GT oder die Göttin Citroën DS 19 Cabriolet zu fahren, ganz zu schweigen vom legendären 1957er BMW 507, wird wohl kaum ein Otto Normalverbraucher je haben. Doch mit zärtlichem Blick können wir die brillanten Aufnahmen betrachten und die technischen Details nebst den kundigen Kurzportraits genießen. Wie Sie vielleicht gemerkt haben, habe ich persönlich eine Vorliebe für die wunderschönen Wagen der 50er Jahre, die sich durch ihr Gesicht von der Masse abhoben.
Dieses Buch ist durch seine Gesamtgestaltung ein Genuß und hat unser Prädikat, den Musenkuß redlich verdient. Ein wahres Geschenk für Autoliebhaber.
 
René Staud (Fotos), Heinrich Lingner (Idee und Text) – „Art of Cockpit“
Mit Beiträgen von Gerhard Heidbrink und Walther Wuttke
© 2022 Motorbuch Verlag, 240 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, 31 x 25 cm - ISBN-13: 9783613044043
Sprache: Deutsch und Englisch
79,- €
 
Weitere Informationen: www.motorbuch.de