Coltrane Revisited

Dominik Raab – „Choose Loose“

Red./Bec.

Coltrane Revisited
 
Ein Debüt-Album von Rang
 
Dominik Raab ist als Drummer und Sideman bereits fester Bestandteil der europäischen Jazz-Szene. Daß er für sein brillant durchkomponiertes Debüt-Album eine Besetzung mit drei so hochkarätigen Musikern wie Tony Lakatos (reeds), Doug Weiss (b) und Billy Test (p) gewinnen konnte, spricht für seinen Ruf als Solist und Bandleader.
„Dominik hat mich mit seinem Time Feel von Anfang an beeindruckt. Zudem hat er ein exzellentes Ohr für seine Mitspieler. Und er ist in der Lage, auf elegante Weise zu bremsen, wenn die Pferde musikalisch mit dir durchgehen – was gelegentlich passiert“, wie es Saxophon-Legende Tony Lakatos formuliert. Die Mitglieder des Quartetts vereint die Vorliebe für einen satten Groove und swingende Arrangements. Das kann schon im Opener „Mebop“ überzeugen – eine griffigen Komposition mit hörbarem Bebop- und New Orleans-Einfluß. „Mebop deshalb, weil ich das Thema auf meinem Drumset spiele. Es ist meine kleine Ego-Show gleich zum Auftakt des Albums, um sie hinter mich zu bringen“, erklärt Raab augenzwinkernd.

Ein ernsthafter Musiker zu sein, dabei aber auch humorvolle Momente zuzulassen – auch das ist eine Eigenschaft, die ihn mit Großmeister Lakatos verbindet. Der wiederum lobt die Fähigkeiten des jungen Bandleaders. „Auch in Passagen, in denen Dominik Soli spielt, geht die DNA des Stückes niemals verloren, sondern bleibt in jeder Sekunde hörbar. Das ist große Kunst, die ich bisher nur von Drummern wie Adam Nussbaum oder Al Foster kannte“, so der Saxophonist. „Cringe Worm“ verdeutlicht, daß für Raab zu den Komponisten gilt: Musik darf auch Entertainment sein. Aber was macht den Wurm, der sich im Walzer-Takt durch die Komposition schlängelt, denn so peinlich? „Vielleicht, daß Jazzkenner den Geist von John Coltrane über diesem Stück schweben hören. Trane hat 1962 ein Stück mit dem Namen `The Inch Worm` komponiert. Davon sind einige Motive inspiriert. Es ist aber keine Stilkopie, sondern wir spielen es auf unsere Art“, erklärt Dominik Raab. Womit er Recht hat und auch wieder nicht, denn er hat Coltranes Bebop-Setting so intim verinnerlicht, daß man vor seinen Kompositionen auf
„Choose Loose“ den Hut zieht. Und es ist hohes Lob, wenn man hierzu sagt: „Coltrane Revisited“. Raab stellt sich damit auf Augenhöhe an die Seite Coltranes, was fraglos auch den exorbitanten Interpretationen Tony Lakatos´ und dem vornehmen Anschlag Billy Tests liegt.

Ein weiterer ungewöhnlicher Titel ist „Mission Complete Petrosilius“ mit dem brummelndenIntro von Doug Weiss. Er steht für Raabs Kindheit und Jugend im osthessischen Fulda. Neben der Playstation gehörten auch Bücher wie „Der Räuber Hotzenplotz“ zum Alltag. In dem Buch von Otfried Preußler treibt der (angebliche) Zauberer Petrosilius Zwackelmann sein Unwesen. Musikalisch lebt das Stück von seinen Farb- und Stimmungswechseln. „Pneu à Pneu“ hat Raab einem Freund gewidmet, der im Schlaf unter hörbarer Apnoe-Atmung litt. Sämtliche Stücke wurden in einem, maximal zwei Takes eingespielt. Außerdem verrät Raab: „Auf der gesamten Aufnahme befindet sich nur ein einziger Schnitt. Wer mir die korrekte Stelle nennt, erhält ein Album kostenlos!“ Dieses in jeder Hinsicht gelungene, piekfeine Album bietet klassischen Jazz-Hörgenuß von höchstem Rang. Dafür unser Prädikat zum Jahresschluß: den Musenkuß!
 
Dominik Raab – „Choose Loose“
© 2022  Laika Records (CD Digipack)
Domonik Raab (dr, comp) - Tony Lakatos (reeds) -  Doug Weiss (b) - Billy Test (p)

1. Mebop - 2. Choose loose - 3. Cringe worm - 4. Kind mind - 5. Boss gloss - 6. Mission complete Petrosilius - 7. Pneu à pneu - 8. Head one
Gesamtzeit: 54:13
 
Weitere Informationen: www.laika-records.com