Keine Nachsicht für Straftäter!

Pyrotechnik gehört nicht in private Hand

von Ingo Schäfer

Ingo Schäfer - Foto: Deutscher Bundestag
Keine Nachsicht für Straftäter!
 
Pyrotechnik gehört nicht in die Hand von Chaoten.
 
Zu den exzessiven Angriffen auf Rettungskräfte und die Polizei am
Silvesterabend 2022 erklärt der Bundestagsabgeordnete Ingo Schäfer (SPD):
 
Die zahlreichen Angriffe auf Feuerwehrleute und Polizisten am Silvesterabend erfordern Konsequenzen. Wir müssen jetzt die notwendigen Lehren aus den zahlreichen gezielten Angriffen auf Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei am vergangenen Silvesterabend ziehen. Solche Straftaten können mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Straftäter zu ermitteln sind und wie die Gerichte urteilen werden. Daran wird sich zeigen, ob das Strafrecht Signalwirkung haben wird. Der Bund hat das Strafrecht vor fünf Jahren verschärft, um Angriffe auf Rettungskräfte hart bestrafen zu können. Fest steht: Vorbeugende Maßnahmen sind immer besser als die Strafverfolgung.
 
Wir haben in den Jahren 2021 und 2020 gute Erfahrung damit gemacht, die Knallerei an Silvester zu begrenzen. Das Bundesministerium des Innern (BMI) hatte aufgrund der Corona-Pandemie in diesen Jahren zu Silvestern ein generelles Überlassungsverbot für Silvesterfeuerwerk verordnet. Anschließend hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft die Auswirkungen des Verbots ausgewertet. Der Verband stellte fest, daß die Anzahl der Verletzten durch Feuerwerkskörper in diesen Jahren um zwei Drittel verringert werden konnte.
 
Auch die Angriffe auf Passanten und Einsatzkräfte waren an den Silvesterabenden 2020 bzw. 2021 deutlich zurückgegangen, im Vergleich zu den Vorjahren. Das lag sowohl am Böllerverbot als auch daran, daß Versammlungen aufgrund der Pandemie beschränkt worden waren. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß sowohl die Gewalt als auch die Verletzungen durch verschiedene Maßnahmen größtenteils verhindert werden konnten. Das war am Silvesterabend 2022 nun wieder anders.
 
In Leipzig verletzte sich ein 17jähriger beim Hantieren mit Feuerwerk tödlich. In Gotha mußten einem Mann nach einer Explosion von Pyrotechnik beide Unterarme amputiert werden. Im thüringischen Schleiß verlor ein 21jähriger bei einem Unfall mit einer illegalen Kugelbombe eine Hand. Auch in Sachsen-Anhalt sprengte sich ein Mann die Hand weg. In Hannover mußte ein weiterer Mann notoperiert werden, nachdem er einen Böller in einer Metallhülse gezündet hatte und durch umherfliegende Teile schwer verletzt worden war. Im nordrhein-westfälischen Jülich verlor ein 27jähriger zwei Finger durch eine Feuerwerksexplosion. Immer wieder geraten Sprengkörper in die Kleidung von Unbeteiligten, wie in die Kapuze eines zweijährigen Jungen in Unna, der dabei Verbrennungen des Hinterkopfes erlitt. Im Bergischen Städtedreieck gab es 41 gemeldete Fälle von unsachgemäßem Umgang mit Feuerwerkskörpern. Dazu gehörte auch, daß Personen und Fahrzeuge mit Feuerwerk beworfen wurden.
 
17 Beamte der Berliner Polizei wurden bei Angriffen in der Silvesternacht verletzt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach davon, daß Knallkörper gezielt als Waffe gegen Einsatzkräfte eingesetzt worden seien, zum Beispiel während der Löscharbeiten bei einem Fahrzeugbrand. In Bonn wurden Feuerwehr und Polizei mit Steinen und Böllern beworfen, als sie einen brennenden Müllcontainer löschen wollten.
 
In Köln, Düsseldorf, Bielefeld und Dortmund gab es Verbotszonen für Feuerwerk. Auch in Hamburg und Berlin war Feuerwerk in bestimmten Stadtteilen verboten. Die Stadt München untersagte in der Innenstadt jegliches Feuerwerk und in einem weiteren Bereich pyrotechnische Artikel der Kategorie F2, also die klassischen Böller. Trotzdem gab es auch in der bayrischen Landeshauptstadt Angriffe auf Rettungskräfte und Polizei mit Böllern und Raketen.
 
Deshalb müssen wir uns fragen, wie wichtig uns die Knallerei zum Jahreswechsel ist. Vielleicht reicht es aus, wenn professionelle Feuerwerker an zentralen Versammlungsorten große Feuerwerke organisieren? Fest steht: Überall in Deutschland finden Diskussionen statt, ob die Silvester-Knallerei noch zeitgemäß ist. Einige Medien berichten von Umfragen, nach denen die meisten Menschen die ungeregelte Böllerei ablehnen.
 
Wir brauchen jetzt eine politische Diskussion darüber, wie wir die vielen feiernden Menschen und auch die Helferinnen und Helfer beim nächsten Silvesterabend gut schützen können. Zu einer solchen Diskussion gehört für mich der Dialog der Innenminister mit den Gewerkschaften der Rettungskräfte und der Polizei über wirksame Maßnahmen. Zum Beispiel darüber, ob lokale Verbotszonen für Feuerwerkskörper und Schreckschußpistolen umsetzbar und ausreichend sind. Deshalb unterstütze ich die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey darin, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz zu setzen. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn wir einen bundesweiten Überblick über die Strafverfahren wegen Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte nach den Paragrafen 113 ff. Strafgesetzbuch bekämen. Sofern die weit verbreitete Gewalt gegen Beamtinnen und Beamte zum Jahreswechsel ebenso wie die Ausschreitungen am 1. Mai politisch motiviert ist, muß der Staatsschutz tätig werden.
 
Die Innenminister müssen auch darüber reden, wie sie die Einfuhr verbotener Sprengkörper besser verhindern können. Kurz vor Weihnachten 2022 wurden in der Nähe der deutsch-niederländischen Grenze 250 Tonnen illegaler Feuerwerkskörper beschlagnahmt. Bereits im Jahr 2018 beschlagnahmten die Behörden in Deutschland, den Niederlanden und Polen 80 Tonnen illegaler Feuerwerkskörper. Europol bezeichnet den Handel mit illegaler Pyrotechnik seit Jahren als großes Problem. Nichtzertifizierte Pyrotechnik ist mit gefälschten Arzneimitteln vergleichbar: Beides ist eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Menschen. Es wäre eine gute Maßnahme, wenn die Bundesregierung die Task Force der europäischen Polizeibehörde Europol zur Bekämpfung illegaler Feuerwerkskörper stärken würde.
 
Gewalt gegen Rettungskräfte gibt es leider täglich. Die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen untersucht seit mehr als zehn Jahren immer wieder das Ausmaß und die Auswirkungen der Gewalt gegen Feuerwehr und Polizei. Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist Angriffe auf Rettungskräfte gesondert aus. Im Schnitt finden jeden Tag viermal Helferinnen und Helfer der Feuerwehren, der Polizei und anderer Hilfsorganisationen körperlich angegriffen. Hinzu kommen Beleidigungen, Behinderungen der Rettungsarbeiten und das Filmen der Einsätze. Trotz der Strafverschärfungen der vergangenen Jahre bleibt die Anzahl der Angriffe fast konstant hoch. Die Johanniter-Unfall-Hilfe hat einige ihrer Rettungswagen mittlerweile mit einem Anti-Gaffer-Design beklebt. Sobald jemand die Kamera seines Handys auf das Fahrzeug richtet, öffnet sich die Webseite „Gaffen tötet!“ Die SPD ist zur Bundestagswahl 2021 angetreten mit dem Ziel, den Respekt auch für die Polizei und die Rettungskräfte zu erneuern. Wir werden darüber zu reden haben, wie wir dieses Ziel erreich wollen.
 
Freiheit und Sicherheit sind ständig gegeneinander abzuwägen. Das ist die Kernaufgabe des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, dessen Mitglied ich bin. Bund und Länder sollten aus den unterschiedlichen Erfahrungen der vergangenen drei Jahre lernen und die richtigen Schlüsse ziehen. Mir geht es dabei vor allem um den Schutz der Rettungskräfte und der Polizei sowie der unbeteiligten Dritten. Gewaltexzesse und rechtsfreie Räume sind mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu verhindern.
 
Ich wünsche allen verletzten Helferinnen und Helfern eine gute und schnelle Genesung. Ich bin ihnen dankbar für ihren Einsatz an einem Abend, an dem die meisten Menschen friedlich und fröhlich das neue Jahr feiern wollten. Gemeinsam mit ihnen will ich dafür sorgen, daß der nächste Silvesterabend auch für sie erfreulich wird.
 
 Redaktion: Frank Becker