Die Bedeutung von Bildlichkeit

Katja Pfeiffer über Ideen und Wege der Kunst in der Ausstellung „Kaleidoskop“

von Uwe Blass

Paul Schraa, Student - Foto: Universität Wuppertal
Die Bedeutung von Bildlichkeit

Die Kunstprofessorin Katja Pfeiffer über Ideen und Wege
der Kunst in der Ausstellung „Kaleidoskop“
an der Bergischen Universität
 
Hellgestrichene, offene Flure mit phantasievollen Kunstwerken erwarten die Besucher im Gebäude I der Bergischen Universität an der Fuhlrottstraße und zeigen unter dem Motto „Kaleidoskop“ die enorme Bandbreite junger Kunststudierender. Faszinierend, witzig, manchmal verstörend und auch unbeschreiblich kommen die Semesterarbeiten der jungen Künstler den Betrachtern vor. Versuche, sich diese Werke verbal zu erklären, fallen oft schwer und unsere Worte scheinen an ihre Grenzen zu stoßen. Genau an diesem Punkt setzt die Kunstprofessorin Katja Pfeiffer an. „Die Titelfindung bei der diesjährigen Ausstellung gestaltete sich komplexer als gedacht“, erklärt sie und suchte neue Wege der Beschreibbarkeit. Sie vernetzte sich mit dem Social-Media-Kanal der Studierenden und nutzte ein Umfragetool mit 50 Titeln, an dem ebenso viele Studierende teilnahmen. Wichtig schien ihr diese Herangehensweise, da sich das Wording die (Wortfindung, Anm. d. Red.) in der Welt derzeit in alle möglichen Richtungen massiv und schnell ändere. „Nun stehen also die verschiedenen Generationen vor großen Fragen hinsichtlich der Verwendung von Sprache“, sagt sie, „es ist ein Zustand der Unruhe, der sich bei der Titelfindung durch die Studierenden wunderbar abgebildet hat.“ Ein Titel sollte es werden, der lange hält und auch Diversität abbildet. Nach ausgiebigen Diskussionen einigte man schließlich demokratisch auf den Begriff „Kaleidoskop“.
 
Deutung von Bildlichkeit
Kaleidoskop ist ein Wort, das ursprünglich aus dem Griechischen stammt und bedeutet: schöne Formen sehen. Kunst ist aber mehr, und so brach Pfeiffer diesen Begriff mit dem Motiv des Plakates, auf dem der Betrachter ein Tattoo vermuten kann. „Die Studierenden haben in der Kunstpraxis zur Zeit die Gattung Grafik erweitert, denn sie sind im Besitz einer Tätowiermaschine“, erzählt die Künstlerin. Dieses Phänomen der gegenseitigen Tätowierung sei spannend, weil es eine leibliche Verbundenheit mit der eigenen Kommilitonengeneration zeige, die es so noch nicht gegeben habe. „Hier sieht man, wie sich neben der Sprache auch die Deutung von Bildlichkeit verändert.“ Galten Tattoos früher als religiöse Zeichen der Ureinwohner, Seefahrerkennung oder Knastschmuck, sind sie heute gesellschaftsfähig und allgemeiner Konsens. Jeder könne heute mit diesem Begriff etwas anfangen, und so hat er auch Eingang in die Kunstpädagogik gefunden. „Mit dem Blick auf Kunst und Design kann man auch anmerken, daß Menschen mit ihren zwei Händen, bzw. ihrer Leiblichkeit, auch zu analogen Tätigkeiten geboren sind, egal wieviel KI (Künstliche Intelligenz, Anm. d. Red.)wir noch erfinden.“
 
Kontroversen sind wichtig
Kunst und Sprache, zwei wichtige Faktoren, die Bildung vermitteln, werden oft kontrovers aufgefaßt. Was ein Betrachter/Leser als schön, spannend oder abstoßend empfindet, kann ein anderer als häßlich, langweilig oder anziehend ansehen. „Darüber müssen wir sprechen. Quer durch die Generationen, quer durch die Republik, quer durch die Fächer, quer durch die Geschlechter“, fordert Pfeiffer. Ein Sprechen und Forschen miteinander sei wichtig, es dürfe durchaus auch unbequem sein, also jenseits der eigenen Komfortzone und des eigenen Geschlechts.
Die Frage, wie weit Kunst dabei gehen darf, behandelt zusätzlich eine zweite Ausstellung unter dem Titel „SCHAUPROZESS PROZESSSCHAU“, die noch bis zum 24. Januar im Oktogon, an der Wormser Straße 55 zu sehen ist. Die Multimediainstallation der Frankfurter Hauptschule stellt die Frage:  Wie weit kann oder darf ich zu weit gehen?
 
Kaleidoskop 2022 – eine variantenreiche Semesterausstellung
Erstmals nach langer Coronaphase stellen Studierende der Fachgruppe Kunst in einer variantenreichen Ausstellung ihre rund 50 Semesterarbeiten aus, über die man sprechen muß, auch wenn man oft nicht sofort die richtigen Worte hat.
Zu sehen sind u.a. malerisch veränderte Fotocollagen, ein begehbarer Gedankenwürfel, graphisch feinst ausgearbeitete Mischwesen und Zeitraffergemälde sowie eine sich bewegende Lichtinstallation. Verstörende Wasserimaginationen, eine überdimensionale Labyrinthkonstruktion im Außenbereich, die scheinbar von Außerirdischen bewacht wird oder eine durch die Decke wachsende Folieninstallation vervollständigen das Ausstellungsœuvre ebenso, wie wandfüllende Farbströme, ein schmelzender Torso oder Memory ähnliche, kachelgroße Ornamente, einfarbig eingefärbte Fotographien und graphisch gestaltete Elektrokardiogramme.
 

Thinette Skicki, Mischwesen - Foto: Universität Wuppertal

Merkwürdige Dinge können zu Lösungen führen
„Kunst kann helfen, mit diesen neuen Bildern umzugehen“ sagt Pfeiffer, „merkwürdige Dinge können zu Lösungen führen!“ Das sei vor allem deshalb möglich, weil die Kreativität einer neuen Generation von kritischen, diversen und unternehmungslustigen Studierenden auch das Lehrpersonal inspiriere. Das Fach Kunst an der Bergischen Universität zeige mit dieser Ausstellung anschaulich, wie verschiedene Strategien zur Lösung eines Problems beitragen können. „Und das tun wir, indem wir Unruhe stiften, Verwunderung auslösen oder Begeisterung, Freude und Humor hervorrufen.“
Die Ausstellung Kaleidoskop mit Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei, Grafik, Fotografie, Video und Installation ist noch bis zum 16. Januar, montags bis freitags von 9:00 bis 20:00 Uhr, an der Bergischen Universität Wuppertal, Gebäude I (Ebene 13), Fuhlrottstr. 10, geöffnet.
 
Uwe Blass
 
Katja Pfeiffer absolvierte ein Lehramtsstudium in Kunst und Erziehungswissenschaften an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen Günther Uecker, Alfonso Hüppi und Jan Dibbets sowie ein Lehramtsstudium der Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität. Sie war Meisterschülerin bei Alfonso Hüppi. Seit 2006 ist sie Professorin für Kunst mit dem Schwerpunkt künstlerische Praxis an der Bergischen Universität Wuppertal.
 
Redaktion: Frank Becker