Immobilitätsgipfel

Die Ampelregierung hat Staupotenzial

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Immobilitätsgipfel
 
Die Ampelregierung hat Staupotenzial
 
Von Lothar Leuschen
 
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte den Inhalt des Mobilitätsgipfels der Regierungsfraktionen bei Kanzler Olaf Scholz vorweggenommen, ehe sich die Ampel-Granden in Berlin trafen. Einen Kessel Buntes kündigte Esken an, ein bißchen von allem, Hauptsache, jedem ist irgendwie gedient. Ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil assistierte Esken mit seiner Forderung nach besseren Straßen, und besseren Schienen. Damit beschrieben die Parteichefs die eigentliche Funktion der SPD in der Ampelregierung. Dort fungiert sie von Beginn an als Spagat-Partei Deutschlands, versucht zu verbinden, was nicht zusammengehört. Die Grünen auf der einen und die FDP auf der anderen Seite zwingen die SPD immer wieder, eine Position zu finden, der es beiden Koalitionären recht macht. Und wenn alle Stricke reißen, dann spricht Scholz ein Machtwörtchen, nutzt seine Richtlinien-Kompetenz. So hatte er bereits den Streit um den Atomausstieg offiziell beendet.
 
In der Mobilitätsfrage wird dem Kanzler das so einfach nicht gelingen, ganz egal, auf welche Ergebnisse sich die Teilnehmer des Gipfels verständigt haben. Das liegt in der Natur der Sache. Die FDP wird auch nach dem Gespräch alles dafür tun müssen, als Wirtschaftsgewissen der Ampel wahrgenommen zu werden. Deshalb tritt sie als Lobbyist der Automobilindustrie auf. Die Grünen müssen ihr ökologisches Profil wieder schärfen. Das hat zuletzt mit der Verlängerung der AKW-Laufzeiten und der Zustimmung zum Braunkohle-Tagebau am Niederrhein Schaden genommen. Also setzen sie in der Mobilität auf Bahn und Lastenfahrrad, vorübergehend gepaart mit E-Autos. Wie sich aus all dem ein tragfähiger Kompromiß basteln lassen soll, ist rätselhaft.
 
Immer deutlicher sichtbar wird allerdings, daß diese Bundesregierung qua Konstruktion reichlich Staupotenzial hat. Die Positionen der kleineren Partner sind in entscheidenden Fragen wie Mobilität, Energie und Finanzpolitik viel zu gegensätzlich. Das macht Verhandlungen schwierig und Kompromisse gegebenenfalls sehr teuer.
 
 
Der Kommentar erschien am 11. Januar 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.