Neu im von der Heydt-Museum:
„Lesende (Else Lasker-Schüler)“ von Karl Schmidt-Rottluff
Von Johanes Vesper
„Auf dem Höhepunkt seiner expressiven Ausdruckskraft fängt Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) die schillernde, avantgardistische Persönlichkeit Else Lasker-Schülers in besonders ausdrucksstarker Farbigkeit und beeindruckendem Format ein“ hieß es zur Auktion beim Aktionshaus Ketterer in München.
Bei Ketterer wurde die Auktion mit 700.000 € begonnen und endet bei 3,4 Millionen, damit gehört das Bild zu den zehn teuersten Bildern, die in Deutschland 2022 unter den Hammer kamen. Dem Kunstmäzen - der Unternehmer aus NRW möchte anonym bleiben -, war es sehr wichtig, daß er dieses besondere Bild nach Wuppertal holen und als Dauerleihgabe dem Museum zur Verfügung stellten konnte. Es war hier schon 2019/209 in der Ausstellung „Else Lasker-Schüler. „Prinz Yussuf von Theben“ und die Avantgarde“ als Leihgabe zu sehen.
Das Bild (Öl auf Leinwand) Ist 1912 in Berlin entstanden. Ein Jahr zuvor waren die Brücke-Maler von Dresden aus in die Hauptstadt gezogen. Auch Schmidt-Rottluff, der sich oft in Dangastermoor (heute Varel südlich von Wilhelmshafen) aufgehalten und aus dieser ländlichen Gegend seine Motive bezogen hatte, war dabei. Seit diesem Umzug werden im Werk Schmidt-Rottluffs Einflüsse des Kubismus und Futurismus deutlich. Mit Picasso und Braque hatte er sich schon auf ihrer Ausstellung in Düsseldorf beschäftigt, und seine Auseinandersetzung mit diesen Kunstrichtungen intensiviert auf der legendären Sonderbundausstellung 1912 in Köln. Italienischen Futurismus hatte er in Herwarth Waldens Galerie „Der Sturm“ zur Kenntnis genommen. Natürlich ergaben sich in Berlin Kontakte zu Lionel Feininger, auch zum literarischen Expressionismus, zu Richard Dehmel, Gottfried Benn und auch zu Else Lasker-Schüler, die damals mit dem Verleger Herwarth Walden verheiratet war. Aufgeladen mit einer ihm eigenen Farbigkeit, die nicht lückenlos den Bildgrund deckt, wird die „Leserin“ zu einem Höhepunkt des Expressionismus. Else war begeistert: „Schmidt-Rottluff hat mich im Zelt sitzend gemalt…Bin entzücket von meiner bunten Persönlichkeit, von meiner Urschrecklichkeit, von meiner Gefährlichkeit, aber meine goldene Stirn, meine goldenen Lider, die mein blaues Dichten überwachen. Mein Mund ist rot wie eine Dickichtbeere, in meiner Wange schmückt sich der Himmel zu blauem Tanz, aber meine Nase weht nach Osten, eine Kriegsfahne und mein Kinn ist ein Speer, ein vergifteter Speer“. “ (Siehe ihre Briefe nach Norwegen, in Der Sturm, Monatschrift für Kultur und die Künste, Nr. 94 Januar 1912, S. 752). Was sie damit wohl gemeint hat? Die Farbigkeit der Wangen (Ocker-gelb) legen ihren herrlichen blauen Himmelstanz eigentlich nicht ohne weiteres nahe. Und dichtet sie oder liest sie? Das Gesicht mit seinen unruhigen, kontrastreich gegeneinander durch schwarze Linien abgesetzten, geometrischen Formen scheint jedenfalls intensive, gedankliche Tätigkeit widerzuspiegeln.
Die Provenienz des Bildes ist unbelastet. Der Künstler selbst hatte es seinem Freunde Hermann Gerlinger, Kunstmäzen in Würzburg, übergeben. Dessen reiche Sammlung wurde 2022 in mehreren Auktionen versteigert.
Das Bild ergänzt sensationell die Sammlung des von der Heydt-Museums, gehört doch Jankel Adlers (*1895 in Polen – † 1949 in England) „Bildnis Else Lasker-Schüler 1924“ bereits zur Sammlung. Wahrscheinlich haben sich die beiden 1913/14 in Barmen kennengelernt, pflegten dann in Berlin ihre enge Freundschaft. Else bedichtete Jankel, der sie an einem Kaffeehaustisch sitzend gemalt hat, als einen hebräischen Rembrandt Das Bild wurde früh vom Barmer Kunstverein gekauft, wurde in Nazi-Deutschland als „entartete Kunst“ beschlagnahmt, und fand sich 1985 auf der Janjel-Adler-Ausstellung in Düsseldorf, so daß das von der Heydt-Museum es erneut kaufen konnte.
Ab Ende Januar werden beide Bilder zusammen im Museum zu sehen sein. Da muß man hin!
Weitere Informationen: www.von-der-heydt-museum.de
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