Die Geister, die man rief ...

„M3GAN“ von Gerard Johnstone

von Renate Wagner

M3GAN
USA 2023 

Regie: Gerard Johnstone
Mit: Allison Williams, Violet McGraw, Amie Donald u.a.
 
Daß Puppen auf der Kinoleinwand gefährlich werden können, hat man schon zu oft gesehen, um es für einen besonders aufregenden Einfall für noch einen Film dieser Art zu halten. Und am Ende gibt es dann den Horror, den ein Teil des Publikums so gerne mag. Bis dahin aber ist es ein fast zeitkritischer Film, der sich den Kopf über eine Entwicklung zerbricht, die wohl nicht aufzuhalten – aber wohl auch alles andere als gut ist.
Angeblich wünschen sich einsame Menschen nichts dringlicher, als Hunde, die mit ihnen sprechen würden (das heißt, mit Menschensprache antworten)  – und keine Frage, die Wissenschaft ist schon dran, Geschöpfe zu schaffen, die das können und dabei, obwohl Maschinen, so hunde-ähnlich sind, wie man es sich nur wünschen kann. Und für kleine Kinder, die so viel Aufmerksamkeit brauchen – ja, da würde manche Mutter eine Puppe, die wie ein kleines Mädchen aussieht und auch so spricht, und agiert vermutlich geradezu erleichtert als Gefährtin der Tochter annehmen. Was man sich da an Arbeit ersparte!
Die Wissenschaftlerin Gemma, brillant in ihrem Beruf  als Robotic-Expertin für ihre Spielzeugfirma, arbeitet an so einem Geschöpf nicht zuletzt aus Eigeninteresse – denn man hat ihr die kleine Nichte Cady (Violet McGraw) in Obhut gegeben, die eben  beide Eltern verloren hat, und eine solche plötzliche Belastung ist für eine berufstätige Frau nicht einfach zu managen…Outsourcen von Arbeit, Anteilnahme und Verantwortung… man hat ja sonst so viel zu tun.
Daß M3GAN (abgekürzt für Model 3 Generative Android) die klassische blonde, blauäugige, ganz, ganz liebe Puppe ist, die wirklich wie ein kleines Mädchen aussieht und auch so spricht – das wäre eine Erlösung, wenn dergleichen wirklich gelingen könnte (oder auch sollte). Denn tatsächlich passiert das, was man seit Goethes „Zauberlehrling“ schon weiß: Die Geister, die man rief, wird man so leicht nicht los.
 
Ja, M3GAN (Amie Donald) ist anfangs scheinbar wirklich lieb, und nur ein Hauch von Starrheit könnte „unecht“ wirken, aber nur, wenn man es weiß. Das einsame kleine Mädchen nimmt die Puppe als „echte“ Freundin an, entwickelt heftige Gefühle für sie – und läßt sich leicht manipulieren. Weil Puppen nicht mehr das sind, was wir aus ihnen machen, sondern das, was man uns fertig vorgibt. Familienmitglied M3GAN scheint anfangs weniger problematisch als ein Echtmensch sondern wie ein nur gelegentlich etwas seltsames, aber doch eigentlich  ideales Wohlfühl-Geschöpf zu sein, bis…
Als Gemma (Allison Williams, sehr sympathisch als Frau, die von wissenschaftlichem Eifer getrieben wird, nur etwas erreichen will und sich zu spät fragt, was sie da getan hat) merkt, daß M3GAN menschliche Eigenschaften entwickelt, und sogar so schlechte wie Dominanz und besitzergreifende Eifersucht, lachen ihre Kollegen sie aus: „It’s only a Toy!“
Aber das ist ja das Thema, daß hier in diesem geschickt ausbalancierten Film von Regisseur Gerard Johnstone nicht zum ersten Mal diskutiert wird: Können diese Maschinen, die ja zur Selbständigkeit programmiert sind, anfangen, von sich aus „wie Menschen“ zu werden? Die Angst lauert jedenfalls in den Hinterköpfen aller, die darüber nachdenken, Die Idee, vielleicht einmal in einer Welt voll von Echtmenschen und Maschinen-Menschen zu leben, die man nicht mehr unterscheiden kann, ist zahllose Male behandelt worden…
… und wenn am Ende dann alles in den üblichen kreischenden Horror mündet, weil diese Puppe mit einem Schwert in der Hand wütet, heißt das nicht, daß das Thema nicht – wieder einmal! – zum Nachdenken aufbereitet worden ist.
 
Logisch, daß diese Problematik uns so viel Angst macht. Der Mensch schafft sich ab, und die von uns gemachten Puppen-Mädchen-Freundinnen (oder andere Menschensurrogate) werden uns töten, nachdem die Computer uns schon überflüssig gemacht haben… Gut, in diesem Film überleben noch die Menschen. Aber man ist nicht völlig sicher, daß das immer so sein wird.
 
 
Renate Wagner